<HTML> <center> <b> <p> <font size="4" color="green"> Stadt, Land…Klima! - Untersuchung und Bewertung des Einflusses von Stadtklimaeffekten auf das Humanbioklima <br><br> am Beispiel des Campus der Technischen Universität Berlin.</font> </p> <br> </b> <i>Projektbericht des Orientierungsprojektes in den Studiengängen Ökologie und Umweltplanung und Landschaftsarchitektur (2. Semester SoSe 2014) </i></h1> </center> </HTML> ----

Auswirkungen des Klimawandels auf die witterungsbedingte Mortalität in Baden-Württemberg

Autorin : Lena Fiechter

Einleitung:

„Die Human-Biometeorologie befasst sich mit der Wirkung des Wetters auf den Menschen als einen natürlichen, physikalisch-chemischen Umweltfaktor. Hierbei lassen sich vier so genannte Wirkungskomplexe unterscheiden: der thermische, der fotoaktinische, der luftchemische und der (…) neurotrope Wirkungskomplex, der den Einfluss des Wetters auf den gesunden und kranken Menschen betrifft.“ (HUPFER 2006: 491)

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Abb. 1: Atmosphärische Wirkungskomplexe (Endlicher 2012: 72)

Besonders möchte ich bei dem Humanbioklima auf den thermischen Wirkungskomplex eingehen. Der thermische Wirkungskomplex befasst sich mit dem Wärmehaushalt des Menschen. Der Wärmeaustausch des Menschen mit der Atmosphäre erfolgt über die Flüsse fühlbarer und latenter Wärme sowie über Strahlung. Dementsprechend spielen neben der Lufttemperatur auch die Windgeschwindigkeit, der Wasserdampfdruck und die mittlere Strahlungstemperatur eine Rolle (Koppe 2003: 152). Diese Bedingungen müssen in einer bestimmten Weise erfüllt sein, damit der menschliche Organismus funktioniert. Die Erdatmosphäre spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie schützt die Erdoberfläche vor Auskühlung. Zusätzlich schützt der Mensch sich durch Kleidung, Wohnungen und Heizungssysteme. Doch Aufgrund des Klimawandels ist es nötig, dass der Mensch sich zunehmend auch vor Hitze schützen muss, um das thermische Wohlbefinden zu verbessern. Denn durch mangelndes Schützen kann dies im menschlichen Körper zu Hitzestress bzw. Kältestress führen. Dieses kann verheerende Folgen haben und letztendlich zum Tod führen.

Vorstellung des Projekts

Da zunehmend Hitzestress eine wichtige Rolle spielt wurde innerhalb des Verbundprojekts KLARA (Klimawandel – Auswirkungen, Risiken, Anpassungen) des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg unter Projektleitung und Koordination durch das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung e.V. 2005 eine Untersuchung über die Auswirkungen des Klimawandels auf die witterungsbedingte Mortalität in Baden-Württemberg vorgenommen, mit dem Ziel die Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung Baden-Württemberg abzuschätzen (KLARA 2005: 47).

Die Bewertung der thermischen Wirkungskomplexe werden mit Standartverfahren des Deutschen Wetterdienstes, dem Klima-Michel-Modell (Energiebilanzmodell für den menschlichen Organismus (Wikipedia)) vorgenommen.

Dafür wurden drei Arbeitsschritte durchgeführt:

Mit Datensätzen des Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wurde zunächst die gefühlte Temperatur für ein Basis- (1951-2000) und Zukunftsszenarium (2001-2055) in Baden-Württemberg berechnet. Außer der mittleren Strahlungstemperatur waren für diese Berechnung alle relevanten Daten bereits vorhanden. Die mittlere Strahlungstemperatur wurde daher mit Hilfe anderer Daten abgeschätzt basierend auf einem physikalischen Ansatz unter Verwendung der mittleren Gesamtbedeckung (Wolkendichte) (KLARA 2005: 50).

Nun wurde die gefühlte Temperatur der 254 Messstationen in der Tabelle (Abb. 2) nach bestimmten Richtlinien eine physiologisch gerechte Bewertung des thermischen Empfindens zugeordnet (PMV-Index = Predicted Mean Vote = Index für das persönliche Wohlbefinden). Jede Messstation wurde zuvor einem Landkreis und einer Höhenstufe zugeordnet. Diese Unterteilung wurde aufgrund der verschiedenen geomorphologischen Beschaffenheit mit den Gebirgen und Höhenzügen wie der Schwarzwald, die Schwäbische Alb oder Der Kraichgau des Bundeslandes vorgenommen. Die drei Höhenstufen sind H1 (bis 400 m), H2 (400-800 m) und H3 (über 800 m).

Abb.2: Thermische Belastungsklassen auf der Basis einer Gefühlten Temperatur, die die physiologische Beanspruchung des menschlichen Organismus berücksichtigt (Stock, M. 2004: 51)

Als nächster Schritt ist die aktuelle Sensitivität (hitzebedingte Mortalität) der Bevölkerung Baden-Württembergs den unterschiedlichen thermischen Belastungsklassen zugeordnet worden. Hierfür wurde im Zeitraum von 1968-2003 die Mortalität mit der thermischen Belastung verglichen. Somit kann durch das Berechnen der aktuellen Sensitivität die Sensitivität der Bevölkerung gegenüber der thermischen Belastung für einen unbekannten Zeitraum ermittelt werden. Im letzten Schritt wurde die Vulnerabilität der Bevölkerung mit Hilfe der Sensitivität und der thermischen Belastung abgeschätzt. Die Vulnerabilität gibt an, inwieweit die Bevölkerung für nachteilige Auswirkungen der Klimaänderungen (inklusive Klimaschwankungen und -extreme) anfällig ist bzw. nicht fähig ist, diese zu bewältigen (IPCC, 2007). Jeder Tag dieser beiden Zeiträume wurde basierend auf der Gefühlten Temperatur für alle 254 Stationen einer von neun thermischen Belastungsklassen zugeordnet (KLARA 2005: 50). Somit sind Daten auf Landkreisebene berechnet worden, die die Thermischen Belastungsklassen, die Sensitivität und die Vulnerabilität der Bevölkerung für das Basis- und Zukunftsszenarium zeigen. Innerhalb dieser Berechnungen wurde auch die Altersstruktur der Landkreise berücksichtigt und eingeteilt in über 75jährige und unter 75jährige. Im Zukunftsszenarium geht man davon aus, dass die Zahl der über 75jährigen in allen Landkreisen ansteigen wird. Am geringsten in den dicht besiedelten Verdichtungsräumen (KLARA 2005: 54).

Insgesamt lässt sich beobachten, wie in Abbildung 3 dargestellt, dass mit einer Zunahme der Tage mit Wärmebelastung im Zukunftsszenarium und in den meisten Landkreisen mit einer Abnahme der Tage mit Kältestress zu rechnen ist. Allerdings ist die Zunahme der Tage mit Wärmestress deutlich größer als die Abnahme der Tage mit Kältestress.

In Abbildung 3 ist jeweils für die 3 Höhenklassen H1 (bis 400 m), H2 (400-800 m) und H3 (über 800 m) die Anzahl der Tage pro Jahr mit Wärmebelastung für das Basis- (oben) und Zukunftsszenarium (unten) dargestellt.

Abb.3: Anzahl der Tage pro Jahr mit mäßiger bis extremer Wärmebelastung für Basisszenarium 1951-2000 (oben) und Zukunftsszenarium 2001-2055 (unten) für alle drei Höhenklassen (H1: 0-400 m; H2: 400-800 m; H3 >=800 m) (Stock, M. 2004: 56)

Im Südwesten des Bundeslandes ist im Basisszenarium in der Höhenklasse 1 (bis 400m) nur in den Landkreisen Heidelberg (HD), Heilbronn (HN) und Baden-Baden (BAD) eine Wärmebelastung mit über 75 Tagen im Jahr zu erkennen. Im Zukunftsszenarium ist dieser Trend der zunehmenden Wärmebelastung in fast allen Landkreisen der Höhenklasse 1 sichtbar. In Höhenklasse 2 (400 bis 800m) sind die Tage mit Wärmebelastung schon deutlich geringer. Insgesamt erhöht sich die Anzahl der Tage pro Jahr mit mäßiger bis extremer Wärmebelastung im ganzen Bundesland Baden-Württemberg um 5-30%. Die damit verbundene Mortalität erhöht sich im Zukunftsszenarium auf 1,6 – 3,6 Hitzetote pro 100.000 Einwohner. Bei einer Gesamtbevölkerung von 11 Mio. Einwohnern sind das 180-400 Tote mehr pro Jahr. Diese große Spanne von 180-400 ist auf die verschiedenen Höhenlagen zurückzuführen. Die Abschätzung mit 400 zusätzlichen Sterbefällen pro Jahr beruht auf der Annahme, dass die Mortalitätsrate vor und nach dem bekannten Zeitraum genauso hoch ist, wie in den letzten 5 Jahren, für welche die Mortalitätsrate berechnet werden konnte (KLARA 2005: 61). Allgemein lässt sich sagen, dass nicht nur die Tage mit wärmebedingtem Stress zunehmen, sondern damit auch hitzebedingte Sterbefälle.

Die Studie schlägt als kurzfristige Lösung vor Hitzewarnsysteme einzusetzen und weiter auszubauen. Als langfristige Lösung klimagerechte Stadtplanung (Reduktion des Städtischen Wärmeinseleffekts) und klimagerechtes Gebäudedesign. (S.62) Dazu zählen Festlegen von Bebauungsgrenzen, Freiflächen/Parkanlagen erhalten, schaffen und umgestalten, Erhalten und Schaffen von Frischluftflächen und Luftleitbahnen, Begrünung von Straßenzügen mit Alleebäumen, Hauswandverschattung und mobile Verschattungselemente schaffen, Erhöhung der Gebäudealbedo und Verwendung geeigneter Baumaterialien (Endlicher 2012: 72). Bei dem Ressortbericht KLARA handelt sich also um ein empfehlenden Charakter.

Diskussion

Mit diesem Ergebnis der Studie KLARA zum Thema Auswirkungen des Klimawandels auf die witterungsbedingte Mortalität in Baden-Württemberg werden aber auch Fragen offen gelegt, ob zum Beispiel berücksichtigt wurde, dass bei einer Hitzewelle älteren Menschen der Tod nur wenige Tage vorweg genommen wurde oder die Studie dieses Phänomen berücksichtigt hat und in ihr Zukunftsszenarium mit einberechnet hat. Denn eine knapp 100 Studien umfassende Literaturstudie zum Thema „Wärmebelastung und Mortalität“ zeigt, dass die Zeitverzögerung zwischen dem Peak in der Temperatur und dem der Mortalität zwischen null und drei Tagen liegt. Die Höhe des Mortalitätsanstiegs in Situationen mit Wärmebelastung liegt je nach Sensitivität der betrachteten Gruppe zwischen 0,5 % (junge gesunde Menschen, Landbevölkerung, guter sozialer Status u.a.) und 64 % (alte Menschen, geringer sozialer Status, Bettlägerigkeit, Stadtbevölkerung, Multimorbidität, alleine lebend, kein Zugang zu klimatisierten Räumen (USA), in oberen Stockwerken lebend, Einnahme von Drogen u.a.) (Basu und Samet, 2002).

Eine weitere Schwachstelle dieser Studie ist, dass sowohl bei der Ermittlung der Sensitivität als auch bei der Ermittlung der Vulnerabilität allein auf Basis der Altersstruktur abgeschätzt wurde (KLARA 2005: 61). Außerdem werden Ergebnisse gemittelt und dann mit diesen gemittelten Werten weiter gerechnet. Infolge kommt es zu Ungenauigkeiten.

Außerdem haben die absoluten Schwellenwerte der thermischen Belastungsklassen die zu „Hitzealarm“ führen den Nachteil, dass sie die Anpassung der Bevölkerung an das lokale Klima nicht berücksichtigen. So führt es dazu, dass in wärmeren Regionen dieser Schwellenwert immer überschritten wird und in kälteren Regionen dieser Schwellenwert nie erreicht wird. Wenn in Zukunft das Klima wärmer wird, muss es nicht heißen, dass die Menschen in Baden-Württemberg unter größerem Hitzestress leiden. Möglicherweise passt sich die Bevölkerung schnell dem verändertem Klima an. Ein Beispiel, welches diese These stützt ist eine Studie, die zeigt, dass eine Hitzewelle der gleichen Intensität im Frühsommer mehr Tote fordert, als eine Hitzewelle im Spätsommer, wenn die Menschen akklimatisiert sind (Kyselý und Huth, 2004).

Schlussfolgerung

Abschließend lässt sich sagen, dass eine Veränderung des Klimas auch noch weitere Gefahren birgt die in dieser Studie zum Thema Gesundheitsrisiko nicht untersucht worden sind. Gefahr wie mit Krankheiten angesteckt zu werden die in diesem Bundesland zuvor keine Rolle gespielt haben wie Infektionskrankheiten, z.B. Vektorkrankheiten wie Malaria oder Gelbfieber (Endlicher 2012: 61). Oder auch durch Pflanzenarten die durch wärmeres Klima Baden-Württemberg besiedeln, in dem sie zuvor nicht heimisch waren, können neue Allergien bei der Bevölkerung auslösen. Außerdem sinkt die Arbeitsproduktivität bei zunehmender Hitze. Dadurch könnten auch Arbeits- und Verkehrsunfälle begünstigt werden. Deswegen sollte das Kapitel nicht unter der Überschrift „Gesundheitsgefahren“ stehen, viel mehr würde die Überschrift „Gesundheitsgefahr durch Hitzestress“ passen.

Quellenverzeichnis:

BASU, R., SAMET, JM. (2002): Relation between Elevated Ambient Temperature and Mortality: A Review of the Epidemiological Evidence. Epidemiological Reviews, 24 (2): 190-202.

ENDLICHER, W. (2012): Einführung in die Stadtökologie: Grundzüge des urbanen Mensch-Umwelt-Systems. Ulmer, 272 S.

HUPFER, P. & KUTTLER (Hrsg.) (2006): Witterung und Klima. Eine Einführung in die Meteorologie und Klimatologie. 12. Aufl., Teubner, 554 S.

CH. KOPPE, G. JENDRITZKY, G. PFAFF (2003): Klimastatusbericht 2003: Die Auswirkungen der Hitzewelle 2003 auf die Gesundheit.

KYSELÝ, J., HUTH, R., (2004): Heat-related mortality in the Czech Republic examined through synoptic and 'traditional' approa- ches. Climate Research, Vol. 24: 265 – 274.

MINISTERIUM FÜR UMWELT, KLIMA UND ENERGIEWIRTSCHAFT BADEN-WÜRTTEMBERG (2012): Klimawandel in Baden-Württemberg. Fakten – Folgen – Perspektiven. Online in Internet: URL: http://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/dateien/publikationen/Klima/Klimawandel_in_Baden-Wuerttemberg_1_.pdf

STOCK, M. (Hrsg.) (2004): KLARA. Klimawandel - Auswirkungen, Risiken, Anpassungen. Online in Internet: URL: http://um.baden-wuerttemberg.de/de/klima/klimawandel/klimawandel-in-baden-wuerttemberg/klimaforschung/klara/

WEISCHET, W. & W. ENDLICHER (2008): Einführung in die Allgemeine Klimatologie. 7. Aufl., Borntraeger, 342 S. http://de.wikipedia.org/wiki/Klima-Michel-Modell

IPCC (2007): Klimaänderung 2007. Wissenschaftliche Grundlagen. Online im Internet: URL: https://www.ipcc.ch/pdf/reports-nonUN.../deutch/IPCC2007-WG1.pdf Die Richtlinie VDI 3787 Blatt 2. Online im Internet: URL: www.urbanclimate.net/matzarakis/papers/VDI_33.PDF


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