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Anpassung an den Klimawandel durch grüne Infrastruktur am Beispiel Ho Chi Minh City

ausgearbeitet von Simone Fischer

Einleitung

Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt. Regelmäßig entstehen neue Megastädte, Städte in denen über 10 Millionen Menschen leben (WAIBEL 2013). Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten (CHING et al. 2014), bereits 2008 gab es weltweit 20 Megastädte (RIBBECK 2008). Städte zeichnen sich im Gegensatz zu ihrem ländlichen Umland durch höhere Lufttemperaturen aus. Dieses Phänomen wird unter dem Begriff der städtischen Wärmeinsel zusammengefasst (OKE 1987). Im Zuge des Klimawandels wird sich dieses Phänomen immer weiter verstärken.

Um die Städte an die mit dem Klimawandel verbundenen Veränderungen anzupassen, entwickeln immer mehr Städte Anpassungsstrategien, wie auch Ho Chi Min City (HCMC) in Vietnam. Ähnlich wie andere asiatische Großstädte hat HCMC eine massive Zuwanderung vom Land zu bewältigen, wodurch ständig neue Siedlungsfläche erschlossen wird. Immer mehr für die Stadt wichtige Retentionsflächen werden bebaut und die neu entstandenen Stadtgebiete laufen somit Gefahr vor Überschwemmungen (WAIBEL 2013). Laut dem Globalen Klima-Risiko-Index (2015) steht Vietnam an siebter Stelle der zwischen 1994 und 2013 am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffenen Länder (GERMANWATCH e.V 2015). In Kooperation mit verschiedenen Institutionen der Niederlande erarbeitet HCMC in einem Projekt, der Vietnam Climate Adaptation Partnership (VCAPS), eine Anpassungsstrategie. Übergeordnetes Ziel der VCAPS ist es, HCMC zum Industriezentrum Südostasiens sowie zu einer zentralen Stelle des internationalen Handels auszubauen. Dabei soll die sozioökonomische und nachhaltige Entwicklung der Stadt unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels langfristig ermöglicht und gesteuert werden.

Die VCAPS versucht auf verschiedenen Themengebieten die Stadt anpassungsfähig zu gestalten, so auch durch die Etablierung eines blau-grünen Netzwerks, bestehend aus verschiedenen naturnahen Elementen wie Parks oder Straßenbegrünung. Im Folgenden soll anhand der Anpassungsstrategie von HCMC genauer untersucht werden, inwieweit durch grüne Infrastruktur Städte klimafreundlicher gestaltet werden können.

Daten, Methode und Ergebnisse

Um im ersten Schritt des Projekts alle planungsrelevanten Datengrundlagen zu sammeln, werden in einem Atlas alle Informationen über die Stadt zusammengestellt, so auch zum Klima. Durch den Atlas wird dem Projekt ein Rahmen gesetzt. Zusätzlich dient er als Grundlage für spätere Entscheidungen.
Das Klima der gesamten Region, vor allem der Niederschlag, ist geprägt von der Monsunzirkulation. In der Regenzeit fallen ungefähr 90 % des jährlichen Niederschlags, der im regionalen Durchschnitt bei 2,100 mm liegt. Die Jahresdurchschnittstemperatur von HCMC liegt bei 26.9 °C, doch die Tendenz ist steigend. Die Temperaturen innerhalb der Stadt stiegen zwischen den Jahren 1960 bis 2005 um durchschnittlich 0.02 °C an (VIETNAM CLIMATE ADAPTATION PARTNERSHIP 2013a).

Als Grundlage für Aussagen in Bezug auf den Klimawandel bezieht sich die VCAPS in ihrem Atlas auf regionale Klimaprojektionen, die auf den globalen Szenarien des Klimarats „International Panel on Climate Change“ (IPCC) von 2011 basieren. Szenarien sollen mögliche zukünftige Entwicklungen durchspielen, mit der zentralen Frage, wie sich das globale Klima mit dem Anstieg der vom Menschen produzierten Emissionen an Treibhausgasen entwickeln wird. Die globalen Klimaszenarien des IPCC können zu Veränderungen des Klimas auf kleinerer Skala, z. B. zu stadtklimatischen Veränderungen, nur sehr vage Aussagen treffen. Um Aussagen zum Klimawandel für verschiedene Regionen Vietnams treffen zu können, erarbeitete das Ministry of Natural Resources and Environment (MoNRE) im Jahr 2009 mittels regionaler Klimamodelle eigene Klimaprojektionen. Per Downscaling werden dabei die globalen Aussagen auf regionale Modelle übertragen. Diese regionalen Klimaprojektionen für die Region Süd-Vietnam dienen der VCAPS als Datengrundlage.
Im zweiten Teil des Projekts wird die Climate Adaptation Strategie (CAS, deutsch: Klimaanpassungsstrategie) erstellt. Der Schwerpunkt der CAS liegt auf sechs verschiedenen Planungsrichtungen. Jede Planungsrichtung bezieht sich auf ein konkretes Thema, wie beispielsweise der Ausbau des grünen Netzwerks der Stadt sowie der Luftzirkulation, um das Humanbioklima der Stadt zu verbessern. Übergeordnetes Ziel des Ausbaus ist, die Stadt attraktiver für seine BewohnerInnen zu gestalten, trotz der mit den steigenden Temperaturen verbundenen städtischen Wärmeinsel, die in HCMC innerhalb der Stadt teils bis zu 10 °C höhere Lufttemperaturen aufweist (BRANDENBURG UNIVERSITY OF TECHNOLOGY 2013) als in den umliegenden ländlichen Regionen. In der CAS werden deshalb mehrere Strategien auf mikro- und mesoklimatischer Ebene festgehalten, die zur Kühlung der Stadt beitragen sollen. Durch die Stärkung des blau-grünen Netzwerkes, bestehend aus beispielsweise Parks, begrünten Straßen und Uferpromenaden, soll ein kühles Mikroklima gewährleistet werden, das zu Gunsten der BewohnerInnen Hitzestress reduzieren soll. Um die Effektivität der einzelnen Planungsrichtungen zu konkretisieren, werden zwei Pilotbezirke ausgewählt, für die spezielle Maßnahmen erarbeitet werden. Ein Pilotbezirk befindet sich im Stadtzentrum, der zweite am Stadtrand.

In beiden Pilotbezirken soll hohe Begrünung durch Schatten und Transpiration die umliegenden Oberflächen- und Lufttemperaturen senken. Auch Grüne Architektur soll für HCMC kühlende Effekte mit sich bringen. Durch begrünte Dächer und Fassaden soll die Oberflächentemperatur der Gebäude gesenkt werden und zum kühlenden Effekt im Inneren der Gebäude beitragen. Zusätzlich wird somit der Energieverbrauch gesenkt, da weniger gekühlt werden muss. Weiße Dächer sollen die Albedo der Dachoberflächen erhöhen und somit dazu beitragen, die kurzwellige Sonnenstrahlung zu reflektieren, um die Oberflächentemperaturen und den Energieverbrauch zu senken.

Auf mesoklimatischer Skala soll die Luftzirkulation der Stadt gewährleistet und verbessert werden, damit die kühlere Luft aus den umliegenden Regionen ins stark bebaute Stadtinnere fließen kann und einen kühlenden Effekt mit sich bringt. In zukünftigen Planungen soll deshalb auf die Gebäudehöhe im Vergleich zu umliegenden Gebäuden sowie auf die Windrichtung geachtet werden (VIETNAM CLIMATE ADAPTATION PARTNERSHIP 2013b).

Diskussion

In der Landschaftsplanung ist es eine gängige Vorgehensweise in einem ersten Schritt alle relevanten Planungsgrundlagen zu ermitteln. In einer Landschaftsanalyse wird die historische und künftige Situation von Natur und Landschaft beschrieben und es wird zu verschiedenen Themenfeldern, den unterschiedlichen Naturgütern, gearbeitet (RIEDEL& LANGE 2010). Auch im Atlas der VCAPS werden zu unterschiedlichen Themen, wie beispielsweise dem Klima von HCMC, Datengrundlagen zusammengestellt.

Die Wirksamkeit der von der VCAPS vorgeschlagenen Strategien zum Ausbau der grünen Infrastruktur wird weder auf ökonomischer noch ökologischer Ebene bilanziert. Nach AKBARI et al. (2009) beträgt die weltweite Fläche von Dächern geschätzt rund 3.8 × 1011 m2. Freie Fläche also, die dazu beitragen kann, Anpassungsstrategien an den Klimawandel wie Begrünung jeglicher Form in der Praxis umzusetzen und gleichzeitig den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken, denn freie Flächen innerhalb von Städten sind begrenzt und haben meist einen hohen ökonomischen Wert. Nach einer Studie von ROSENZWEIG et al. (2006) wird mithilfe eines numerischen Modells für New York City aufgezeigt, dass grüne Dächer eine Albedo von 0.8 aufweisen und die Temperaturen innerhalb der Stadt in der Simulation mit den grünen Dächern zwischen 19 und 23 Uhr um 2–3 K kühler sind als im Vergleich zur Simulation ohne Dachbegrünung.

Die Reduzierung der Lufttemperatur durch weiße Dächer wurde nach SYNNEFA et al. (2008) in Athen bei einer Albedo von 0.63 um 12 Uhr in zwei Metern Höhe über dem Dach zwischen 0.5 K und 1.5 K simuliert. Bei einer Erhöhung der Albedo auf 0.85 ergab sich eine Senkung von 1 K bis 2.2 K der Lufttemperaturen um 12 Uhr in zwei Metern Höhe.

Für die Pilotbezirke werden für HCMC verschiedene kleine Parks geplant. Nach ERELL et al. (2011) werden Parks als kühle Inseln (englisch: Park cool Islands) oder auch Oasen bezeichnet, da die Oberflächen- sowie Lufttemperaturen innerhalb von Parks in Städten deutlich geringer sind, als die ihrer Umgebung. Dies ist bedingt durch die Beschattung und Evapotranspiration von Bäumen und Pflanzen.

Schlussfolgerungen

Vor der Planung alle relevanten Daten zusammenzustellen ist eine gängige Vorgehensweise, auch in der Landschaftsplanung, und erleichtert die spätere Planung (RIEDEL & LANGE 2010). Bei der Interpretation von Klimaszenarien ist zu beachten, dass keine Aussagen zur Wahrscheinlichkeit von Ereignissen getroffen werden. Ein Szenarium spielt mögliche Ereignisse in der Zukunft durch, um mit Unsicherheiten, z.B. in der Planung, besser umgehen zu können. Um konkretere Aussagen auf kleinerer Skala treffen zu können, müssen die globalen Klimaszenarien per Downscaling in einen regionalen Kontext gebracht werden.

Die von der VCAPS gewählten Strategien zur Anpassung mithilfe grüner Infrastruktur sind weltweit angewandte Konzepte, deren Effektivität für andere Städte wie z.B. Athen bereits untersucht wurde. Wie auch in den genannten Studien gezeigt, tragen grüne und weiße Dächer sowie ausreichend urbane Vegetation zur Kühlung von Oberflächen- und Lufttemperaturen bei.

Für HCMC werden von der VCAPS keine Aussagen zur Wirksamkeit der Strategien getroffen. In den zum Vergleich herangezogenen Studien wie ERELL et al. (2011) oder SYNNEFA et al. (2008) sind jedoch positive Ergebnisse ähnlicher Maßnahmen zu verzeichnen, weshalb auch für HCMC mit positiven Effekten für die Stadt zu rechnen ist.

Auch Berlin ist wie HCMC eine dynamisch wachsende Stadt, in der durch den Klimawandel der Effekt der städtischen Wärmeinseln in langen Hitzeperioden zunehmen wird. Die genannten Strategien sind deshalb auch in Berlin anwendbar.

Abkürzungsverzeichnis

CAS – Climate Adaptation Strategy

CDC – Connecting Delta Cities

HCMC – Ho Chi Minh City

IPCC – International Panel on Climate Change

MoNRE – Ministry of Natural Resources and Environment

PCI – Park Cool Island

UHI – Urban Heat Island

UNEP – United Nations Environment Programme

VCAPS – Vietnam Climate Adaptation Partnership

WMO – Weltorganisation für Meteorologie

Literaturverzeichnis

AKBARI, H., MENON, S. & ROSENFELD, A., 2009: Global cooling: increasing world-wide urban albedos to offset CO2. Climatic Change, 94 (3), 275-286 S., URL: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10584-008-9515-9 [Stand: 10.11.2015]

BRANDENBURG UNIVERSITY OF TECHNOLOGY (Hrsg.), 2013: Adapt-HCMC - Handbook on Climate Change Adapted Urban Planning & Design for Ho Chi Minh City/ Vietnam. Online im Internet, URL: https://www-docs.tu-cottbus.de/megacity-hcmc/public/2013_edition_handbook_on_climate_change_adapted_urban_planning_and_design_ENG.pdf [Stand: 18.11.2016]

CHING, J., MILLS, G., FEDEMA, J., OLESON, K., SEE, L., STEWART, I., BECHTEL, B., CHEN, F., NEOPHYTOU, M., HANNA, A., 2014: Facilitating advanced urban canopy modeling for weather, climate and air quality applications. American Meteorological Society Symposium on Urban Environment, 2–7 February 2014, Atlanta Georgia.

ERELL, E., PEARLMUTTER, D., WILLIAMSON, T., 2011: Urban Microclimate – Designing the Spaces Between Buildings. London, Earthscan Verlag

GERMANWATCH e.V. (Hrsg.), 2015: Global Climate Risk Index 2015 – Who Suffers Most From Extreme Weather Events? Weather-related Loss Events in 2013 and 1994 to 2013. Online im Internet, URL: http://germanwatch.org/de/download/10333.pdf [Stand: 01.11.2015]

INTERGOVERMENTAL PANEL ON CLIMATE CHANGE(Hrsg.), 1990: Climate Change – The IPCC Scientific Assessment, published by the Press Syndicate of the University of Cambrige

MINISTRY OF NATURAL RESOURCES AND EVIRONMENT (Hrsg.), 2009: Climate Change – Sea Level Rise Scenarios for Vietnam, Hanoi. Online im Internet, URL: http://www.preventionweb.net/files/11348_ClimateChangeSeaLevelScenariosforVi.pdf [Stand: 01.11.2015]

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RIBBECK, E., 2008: Megastädte - Städtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio. Einwohnern, 2005 und 2015. Online im Internet, URL: http://www.bpb.de/internationales/weltweit/megastaedte/64748/megastaedte [Stand: 22.06.2016]

RIEDEL, W., LANGE, H.(Hrsg.), 2010:Landschaftsplanung. Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage, Heidelberg

ROSENZWEIG, C., SOLECKI, W., SLOSBERG, R., 2006: Mitigating New York City’s heat island with urban forestry, living roofs, and light surfaces. Online im Internet, URL: http://www.giss.nasa.gov/research/news/20060130/103341.pdf [Stand: 17.11.2015]

SANTAMOURIS, 2012: Cooling the cities – A review of reflective and green roof mitigation technologies to fight heat island and improve comfort in urban environments. Solar Energy, 103, 682–703 S., URL: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0038092X12002447 [Stand: 22.11.2015]

SYNNEFA, A., DANDOU, A., SANTAMOURIS, M., TOMBROU, M., SOULAKELLIS, N., 2008: On the use of cool materials as a heat island mitigation strategy. Journal of Applied Meteorology Climatology, 47, 2846–2856 S., URL: http://journals.ametsoc.org/doi/full/10.1175/2008JAMC1830.1 [Stand: 17.11.2015]

VIETNAM CLIMATE ADAPTATION PARTNERSHIP(Hrsg.), 2013a: Atlas – Ho Chi Minh City – moving towards the sea with climate adaptation. Online im Internet, URL: http://www.vcaps.org/assets/uploads/files/Atlas%20DEF%20English.pdf [Stand: 01.11.2015]

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WAIBEL M. (Hrsg.), 2013: Ho Chi Minh MEGA City. Arbeitsgemeinschaft für Pazifische Studien (Pazifik Forum Band 14), Berlin, regiospectra Verlag


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