{{wiki:logo.png}} ---- //Projektbericht des Vertiefungsprojektes in dem Studiengang Ökologie und Umweltplanung (WS16/17 - SS17)// ----

Vegetation in der Stadt – Schadstofffilterung oder Schadstoffakkumulation

1. Einleitung

Das Wachstum von Städten ist ein weltweiter Faktor, der zur Luftverschmutzung führt. Durch die zunehmende Versiegelung und die steigende Bevölkerungsdichte werden die emittierten Ausstöße von gas- und partikelförmigen Schadstoffen die Luftqualität verschlechtern. Die menschliche Gesundheit ist davon stark betroffen. Durch die Luft- und Schadstoffakkumulation treten somit Kurzzeiteffekte, wie zum Beispiel Störungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie Langzeiteffekte wie Krebserkrankungen auf. Außerdem verursachen die Auswirkungen des Klimawandels, wie die Wärmebelastung, eine Zunahme der Ozon- und Feinstaubwerte (Burkart et al. 2013). In Deutschland sterben jährlich ca. 47.000 Menschen vorzeitig aufgrund der Feinstaubbelastung (Kallweit und Wintermeyer 2013).

Die Verbesserung der Luftqualität ist ein Ziel des siebten Umweltaktionsprogramms der EU (Europäisches Parlament 2013). Für die Luftreinhaltung wurden Regelungen zu Luftschadstoffgehalten festgelegt, um die Gesundheitsbelastung durch Schadstoffe zu reduzieren. Der Einsatz von erneuerbaren Energien, umweltfreundlichen Technologien, sowie von Dieselrußpartikelfiltern und Katalysatoren kann die Emission von NO reduzieren und die Situation deutlich verbessern. Die obligatorische EU-Luftqualitätsgesetzgebung orientiert sich an den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Deutschland werden gesetzliche Anforderung für Anlagen in der TA Luft festgehalten, während diese in den USA über den „Clean Air Act“ geregelt werden (Environmental Protection Agency 2017 online).

Das hohe Potenzial der Vegetation in urbanen Lebensräumen bietet auch eine Lösung zur Luftqualitätsverbesserung. Das Stadtgrün nimmt Gase oder Staubpartikel, die auf Blattoberflächen abgelagert sind oder vom Laub, auf (Janhäll 2015; Langner et al. 2011). Weitere Ökosystemleistungen vom Grün in der Stadt, wie zum Beispiel Lärmschutz, ein ausgewogener Naturhaushalt, ein gesundes Mikroklima und Lebensraum für verschiedene Arten und Biotope, tragen zur besseren Lebensqualität bei (Stiftung DIE GRÜNE STADT 2007 online).

Im folgenden Text werden verschiedene Aspekte der Luftschadstoffakkumulation und der Luftschadstofffilterung durch die Vegetation behandelt. Zum einen wird erklärt, wie sich die Luftschadstoffpartikel in urbanen Räumen ausbreiten, bzw. welche Schadstoffquellen es gibt.Zum anderen werden Pflanzenmechanismen erklärt und dargestellt, die dafür Sorge tragen, dass Schadstoffe aus der Luft entfernt oder wieder in die Atmosphäre eingetragen werden.

2. Luftschadstoffakkumulation und die menschliche Gesundheit

Ein großes Problem ist die erhöhte Luftschadstoffbildung durch anthropogene Emissionen. Verursacher sind: Industrieanlagen, Kraftwerke, Landwirtschaft, Straßen und die Verbrennung von fossilen Energieträgern. Die internationale Agency for Research on Cancer klassifiziert sowohl Schadstoffe im Allgemeinen, als auch PM als krebserregend (IARC 2013).

Städte haben eine relativ hohe Konzentration an Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) (Naturkapital 2007 online). Hauptquelle der Belastung durch Stickstoffdioxide (NO2) ist der Verkehr. Über 90 % der Bewohner von EU-Städten sind Luftschadstoffkonzentrationen ausgesetzt, die jenseits der durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Richtlinien liegen (EEA 2013). Untersuchungen zeigten, dass auf befahrenen Straßen meistens höhere Konzentrationen von NO2 anzutreffen sind; der jährliche Grenzwert wurde zu über 60 % an den verkehrsnahen Messstationen überschritten (UBA 2016).

Primärer Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein. Beispiele dafür sind: emittierte Partikel aus Vulkanausbrüchen, Pollen, Bakterien, Tier- und Pflanzenreste sowie Teilchen aus den Meeren. Die Freisetzung dieser organischen Substanzen (BVOC) kann in einer stark mit NO angereicherten Atmosphäre allerdings auch zur Bildung von Ozon (O3) (Calfapietra et al. 2013) und sekundären Partikeln führen (Wagener et al. 2012). Die Bildung von BVOC hängt unter anderem von der Gehölzart, der Blattmasse, der Temperatur und dem Licht ab (Nowak et al. 2008a).

3. Städtische Vegetation zur Reduktion der Schadstoffbelastung

Einerseits ist die Rolle der Natur extrem wichtig, da sie sich als Puffer oder Filter auswirkt, andererseits ist sie auch in der Lage, Schadstoffe zu speichern oder zu akkumulieren. Pflanzen können die Luftbewegungen behindern und so den Luftaustausch reduzieren. Die Morphologie, Struktur, Größe und Lage der Pflanzen sind auch für diese Prozesse entscheidend (Litschke und Kuttler 2008). Außerdem können sehr hohe Schadstoffkonzentrationen die Filterwirkung reduzieren, wenn Blätter zum Beispiel geschädigt werden und die Spaltöffnungen geschlossen bleiben (Robinson et al.1998; Escobedo und Nowak 2009).Die Filterwirksamkeit der Blätter gegenüber Schadstoffen ist abhängig von ihrer Größe, Rauigkeit und ihrem Zustand. Die Aufnahme von Luftverschmutzungen durch die Blattoberfläche erfolgt in unterschiedlichem Maße. Bewachsene Flächen, wie zum Beispiel Wiesen, haben eine geringere Leistung als Bäume. Ein anderer Faktor ist die Jahreszeit, da der Schadstoffgehalt von Luftfeuchte und Temperatur beeinflusst wird (Hupfer und Kuttler 2006). Weiterhin sollte man Pflanzen mit einem möglichst geringen Allergiepotenzial auswählen (vgl. Cariñanos und Casares-Porcel 2011).

Die Filterwirksamkeit der Pflanzen hängt stark von der „Deposition“ ab. Unter trockener Deposition versteht man die Ablagerung oder Aufnahme von Luftpartikeln durch die Blätteroberfläche, wobei die nasse Deposition nur mit Regen oder Schnee verbunden ist. Es gibt zwei Mechanismen zur Aufnahme der Pflanzen von gasförmigen Bestandteilen:

1. Die Absorption ist der Prozess durch die Spaltöffnungen. Sie ist für den Gastausch zwischen Blatt und Umgebung zuständig.
2. Die Adsorption ist die Anlagerung auf der Cuticula (äußerste Schicht des Blattes).

Die Leistungsfähigkeit der Blätter, Schadstoffe zu entfernen, ist von verschiedenen Mechanismen und Blattmerkmalen abhängig. Die Aufnahme von Schadstoffen durch die Vegetation ist nicht so einfach und nicht in allen Fällen gleich hoch. Grobe Luftpartikel werden häufig durch Regen von der Blattoberfläche abgetragen (Przybysz et al. 2014). Untersuchungen von 13 Pflanzenarten zeigten, dass circa 60 % der Partikel durch Wasser ausgewaschen wurden, während 40 % auf der Cuticula verblieben, mit einer starken Variabilität zwischen den Pflanzenarten (Popek 2013). Andere Partikel dagegen (kleiner als 10 μm) wurden durch das Blatt aufgenommen (Terzaghi et al. 2013).

Bäume haben aufgrund ihrer Größe eine stärkere Wirkung auf die Luftqualität und das Klima. Baumkronen lenken den Wind in verschiedene Richtungen und tragen zur Windberuhigung bei. Diese Schutzfunktion ist wichtig in urbanen Lebensräume, da Bäume starken Luftturbulenzen oder Luftschwankungen entgegenwirken (Säumel et al. 2012; von Hoffen und Säumel 2014). Außerdem können Bäume die Ausbreitung von Luftschadstoffen in Wohngebieten vermindern (Säumel et al. 2012; von Hoffen und Säumel 2014). Die richtigen Straßenbaumarten sind auch entscheidend, da einige Bäume geringere BVOC-Emission haben. Beispielsweise sind Linden und Ahornarten geeignet, hohe Emissionen haben dagegen Eichen und Pappeln (Churkina et al. 2015).

Nicht alle Schadstoffe werden in gleichem Maße durch die Blattoberfläche aufgenommen. Die Filterleistung durch Stadtwälder wurde in Barcelona untersucht und die Ergebnisse zeigten, dass die Wirkung von Bäumen auf NO2 und O3 eher gering waren und CO und SO2 die niedrigste Filterwirkung hatten. Feinstaub wurde dagegen durch Stadtgrün am besten gebunden (22 % der dort verursachten Staubemissionen). Dies entspricht einem monetären Nutzen von jährlich 1,1 Mio. USD (Baró et al. 2014). Dies zeigt, dass die Wirkung von Bäumen mäßig, aber nicht zu unterschätzen ist, da sie jährlich Luftverschmutzungen von ca. 305.600 t und ca. 19.036 t CO2 aus der Luft entfernen.

Die Deposition ist besonders wirksam bei Pflanzen mit großen Blattflächen und in unmittelbarer Nähe der Schadstoffquellen, zum Beispiel an Straßenrändern (Litschke und Kuttler, 2008). Hohe Eichen, die 25 m von der Straßenbahn entfernt standen, halbierten die PM10 - und PM2.5 - Konzentrationen, während Wiesen die Konzentration um ca. 35 % reduzierten (Cowherd et al. 2006). Die Größe der Bäume kann aber auch kontraproduktiv sein, besonders auf Straßen, wo Bäume nebeneinander angepflanzt wurden. Sie führen zu einer Schadstoffakkumulation, da sich in ihnen Luftverunreinigungen akkumulieren können. Dies gilt zum Beispiel für geschlossene oder dichte Anpflanzungen von Bäumen auf Flächen, wo viele Autos fahren. Modellrechnungen und Experimente im Windkanal, jedoch ohne ausreichende Berücksichtigung von Ablagerungen, haben eine lokale Anreicherung von Luftschadstoffen von bis zu 20 % ergeben (Buccolieri et al. 2009; Vos et al. 2012). Um diesen Effekt zu minimieren, kann man verschiedene Arten anpflanzen. So werden unterschiedliche Partikelgrößen und Partikeltypen gebunden, sodass eine struktur- und artenreiche krautige Vegetation im Straßenraum die Filterfunktion von Bäumen sehr gut ergänzen kann (Weber et al. 2014a).

Oft sind in Städten Straßenschluchten zu sehen. Die Luft bewegt sich in verschiedene Richtungen und ist von der Gebäudekonfiguration und von der Vegetation abhängig (Ng und Chau 2012; Ng und Chau 2014). Hier hat Stadtgrün einen starken Einfluss auf die Dispersion der Luftpartikel (Oke 1987). Die Barrierewirkung von Gebäuden, welche den Luftaustausch und die Fließrichtungen entlang von Straßen beeinflussen, bedingt, dass die Konzentration zur Straßenmitt hin zunimmt, da die Straßenränder einer Straßenschlucht eine bessere Durchlüftung erfahren (Gromke et al. 2008). Die Windgeschwindigkeit in Straßenschluchten ist einer der wichtigsten Parameter zur Schadstoffakkumulation auf Fußgängerebene (Gromke, Ruck 2007; Gromke et al. 2008). Manche Straßenschluchtenmodelle beschreiben die Vegetation als Senke von Luftturbulenzen ohne Berücksichtigung der Deposition. Größere, dichtere Bäume reduzieren die Schadstoffverteilung, während der Effekt von kleineren und weniger dichten Bäumen eher gering ist (Wania et al. 2012; Vos et al. 2013).

Modelle zur Verteilung der Luftpartikel können hilfreich zum Verständnis der Schadstoffkonzentrationen sein. Trotzdem ist die Vegetation komplex und lässt sich nicht so einfach skalieren und modellieren (Gromke 2011).

4. Fazit: Luftqualitätsverbesserung durch den Einsatz von Stadtgrün

Schadstoffanreicherung ist ein globaler Faktor, der die menschliche Gesundheit bedroht und durch Normen und Grenzwerte eingeschränkt wird. Die Stadtnatur trägt durch ihre Filterwirkung zur Reduktion der allgemeinen Schadstoffbelastung der Luft in Städten bei. Eine effektive Planung durch eine vielfältige Anpflanzung ist daher von Bedeutung, um eine möglichst maximale Filterung von Schadstoffen zu erreichen. Bodenpflanzen sind kostengünstiger und beeinträchtigen im Gegensatz zu Bäumen nicht den Luftaustausch. Sie wirken gut ergänzend zu Bäumen und in mit Grün unterversorgten Räumen (Säumel et al. 2015). Krautige Pflanzen wie Beifuß, Gänsefuß, Schafgarbe oder Löwenzahn tragen nachweislich zur Reduktion der Staubbelastung bei (Weber et al. 2014a). Bei der Umsetzung ist es auch wichtig, die richtige Art und den passenden Standort auszuwählen. Manche Bäume oder Pflanzen haben keine hohen Ansprüche oder benötigen wenig Pflege. Die Natur sollte bei der Planung mehr integriert werden, um in unserer Stadt einen besseren Lebensraum zu erhalten.

5. Quellenverzeichnis

Baro, F., Chaparro, L., Gomez-Baggethun, E., Langemeyer, J., Nowak, D. J., Terradas, J., (2014): Contribution of ecosystem services to air quality and climate change mitigation policies: the case of urban forests in Barcelona, Spain. Ambio 43: 466.

Buccolierei, R., Gromke, C., Di Sabatino, S., Ruck, B., 2009: Aerodynamic effects of trees on pollutant concentration in street canyons. Science of the Total Environment 407: 5247-5256 S.

Buccolieri, R., Gromke, C., Di Sabationo, S., Ruck, B., 2009: Aerodynamic effects of trees on pollutant concentration in street canyons. Science of the Total Environment 407: 5247-5256 S.

European Enviroment Agency (EEA), 2013: Air quality in Europe – 2015 Report. Publications Office of the European Union.

Enviromental Protection Agency (EPA), 2017: Overwiew of the Clean Air Act and Air Pollution. URL: https://www.epa.gov/ (Abruf 4.07.2017)

Jänhall, S., 2015: Review on urban vegetation and particle air pollution – Deposition and dispersion.

Kowarik, I., Bartz, R., Brenck, M., 2016: Luxembourg. Ökosystemleistungen in der Stadt – Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. In: Kapitel 3.3 Stadtnatur fördert saubere Luft, URL: http://www.naturkapitalteeb.de/fileadmin/Downloads/Projekteigene_Publikationen/TEEB_Broschueren/TEEB_DE_Stadtbericht_Langfassung.pdf (Abruf 14.01.2017)

Stadtentwicklung Berlin, 2016: Luftqualität, Luftreinhalteplan, Situation und Ursachen. URL: www.stadentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalteplan/situation-ursachen.shtml (Abruf 4.07.2017)

Stiftung die Grünen Stadt, 2007: Bäume und Pflanzen lassen Städte atmen, Schwerpunkt – Feinstaub. URL: www.die-gruene-stadt.de (Abruf 4.07.2017)



Autorin: Camila Rueda
Datum: 04.08.2017


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