{{wiki:logo.png}} ---- //Projektbericht des Vertiefungsprojektes in dem Studiengang Ökologie und Umweltplanung (WS16/17 - SS17)// ----

Stadtklima und Mensch - das urbane Humanbioklima

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Bedeutung
GT gefühlte Temperatur
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change
PMV Predicted Mean Vote
UV Ultraviolett

1. Einleitung

Um einen Beitrag zu den Untersuchungen des Vertiefungsprojektes „Stadt-Grün-Klima“, welches sich mit dem Zusammenhang zwischen urbanem Klima und Vegetation beschäftigt, zu leisten, werden im Folgenden Aspekte des urbanen Humanbioklimas betrachtet. Da auch Vegetation in der Stadt im Mittelpunkt steht, stellt sich die zentrale Frage: Inwiefern hat Vegetation Einfluss auf das urbane Humanbioklima bezogen auf thermisch bedingten Stress? Zur Beantwortung der Fragestellung wird zunächst der menschliche Organismus in Zusammenhang mit dem Klima gesetzt. Anschließend werden Messmethoden zur Bestimmung des Humanbioklimas zusammengetragen. Um die Verbindung zur Vegetation herzustellen wird außerdem der Einfluss dieser auf das Stadtklima und die verschiedenen Maßnahmen, welche dies beeinflussen können, beschrieben.

2. Humanbioklima im urbanen Raum

Die Humanbioklimatologie beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimas und einzelnen Klimaelementen auf den Menschen. Der menschliche Organismus wird dauerhaft beeinflusst von atmosphärischen Umgebungsbedingungen, somit können Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden klimaabhängig sein (Universität Augsburg).

Besonders thermische Belastungen haben Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Dieser ist auf eine konstante Kerntemperatur von 37°C angewiesen um nicht dauerhaft geschädigt zu werden. Um die Körpertemperatur zu regulieren verfügt der Mensch über Mechanismen der Thermoregulation. Dem Körper wird durch seine Umwelt Energie zugeführt. Um ein Gleichgewicht zu halten wird somit auch vom Körper Energie nach außen abgegeben. Der menschliche Organismus kann Wärme beispielsweise über die Haut, das Schwitzen oder aber auch durch die Atmung abgeben. Kann der menschliche Körper nun durch seine Umwelt bedingt die Körpertemperatur nicht mehr konstant auf 37°C halten, spricht man von Hyperthermie oder Hypothermie. Tritt die Hyperthermie zusätzlich mit Flüssigkeitsmangel auf, kann es zu einem Hitzekollaps kommen, da die körperliche Thermoregulation stark eingeschränkt wird (Chin Leong Lim, 2008). Zu den thermischen Einflüssen auf den Menschen kommen noch lufthygienische und aktinische Wirkungskomplexe hinzu. Die aktinischen Einflüsse beschreiben die biologisch wirksame Sonneneinstrahlung. Hierzu gehören Strahlungen vom infraroten bis zum sichtbaren UV-Bereich. Das sichtbare Licht hat einen positiven Einfluss auf den Hormonhaushalt und die Psyche, kann aber auch zu Schädigungen von Hautzellen und Sonnenbrand führen. Ist die Lufthygiene von Schadstoffen geprägt, kann dies einen negativen Effekt auf den menschlichen Organismus haben und eine Reihe an Krankheiten und Allergien verursachen. Im Gegensatz dazu können aber auch positive Effekte hervorgerufen werden, beispielsweise durch Salzpartikel in der Luft in küstennahen Orten (vgl. Deutscher Wetterdienst).

Vor allem dicht bebaute Städte sind mit klimatisch bedingtem Hitzestress konfrontiert. Die Belastungen nehmen somit von dem weniger bebauten Stadtrand bis zur Stadtmitte zu. Steigende Temperaturen in stark versiegelten Stadtteilen mit wenig Grünflächen fördern Hitzestress bei den Anwohnern. Lange Hitzeperioden wirken sich besonders stark auf Kranke, Vorbelastete und ältere Menschen aus. Durch Hitze ausgelöste Herz-Kreislauf-Probleme können eine echte Bedrohung darstellen. Auch gesunde Erwachsene können durch bioklimatische Belastungen in ihrer Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt werden. Extremereignisse begünstigen thermische Belastungen. Hierunter werden meteorologische Extremereignisse wie Stürme, Hitzewellen, Gewitter und Extremniederschläge verstanden. Es wird davon ausgegangen, dass der Klimawandel solche Extremereignisse begünstigt. Die Jahresmitteltemperatur in Mitteleuropa ist von 1850 bis 2008 um 1,3°C gestiegen. Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) berichtet, dass eine Zunahme der Lufttemperatur in Zukunft Hitzewellen begünstigt (IPCC). Unter einer Hitzewelle versteht man ungewöhnlich hohe Temperaturen über einen längeren Zeitraum ( Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik).

Um das Humanbioklima zu bewerten müssen Parameter, wie die Lufttemperatur, der Wasserdampfdruck der Luft, die Windgeschwindigkeit und die Strahlungsverhältnisse berücksichtigt werden. Es existieren bereits einige Methoden und Parameter die unterschiedlich definiert sind. Der deutsche Wetterdienst greift beispielsweise auf die gefühlte Temperatur (GT) zurück, welche sich durch die Lufttemperatur einer Standardumgebung definiert. Der Stadtentwicklungsplan Klima, welcher vom Senat von Berlin am 31.05.2011 beschlossen wurde, greift auf die PMV-Skala zurück. PMV steht für „Predicted Mean Vote“ und gibt an, wie wohl sich Menschen aufgrund der klimatischen Bedingungen fühlen. Die PMV-Skala reicht von -3 bis +3, wobei -3 Kältestress bedeutet und ein Wert über +2,5 Hitzestress identifiziert ( Stadtentwicklungsplan Klima, Berlin 2011). Er wird berechnet nach der Behaglichkeitsgleichung nach Fanger (Formel 1).

PMV= f (H/A, l cl, t1, t mrt, e, v r) (1)

Die Gleichung berücksichtigt sieben Komponenten. Hierzu gehören die metabolische Rate des Energieumsatzes verschiedener körperlicher Tätigkeiten dividiert durch die Körperfläche des Menschen (H/A), die Wärmeisolation der Bekleidung ( I cl), die Lufttemperatur (t1), die mittlere Strahlungstemperatur (t Mt), der Dampfdruck (e) und die mittlere Windgeschwindigkeit (v r) (Antonio Martinez-Molina, 15.05.2017). Auf zwei dieser Komponenten hat der Mensch selber Einfluss. So unterscheiden sich die metabolischen Raten verschiedener Körperaktivitäten stark voneinander. Beim Schlafen beträgt diese beispielsweise nur 70 Watt, während Gymnastik 350 Watt beansprucht und schnelles Laufen (ca. 8 km/h) eine metabolische Rate von 570 Watt hat. Auch die Bekleidung, die ein Mensch trägt, wird im PMV verrechnet. Hierbei wird Sommerbekleidung mit 0,5 clo verrechnet und ein dicker Wintermantel mit 1,5 clo (1 clo= 0,155 °C*m^2/W). Vier Komponenten der Behaglichkeitsgleichung sind klima- und umgebungsabhängig. Es stellt sich nun die Frage, ob auch diese Komponenten und letztendlich der PMV durch Vegetation beeinflusst werden kann. Da thermischer Stress und das Problem der städtischen Wärmeinsel im Vordergrund steht, ist vor allem der Einfluss von Vegetation auf die Lufttemperatur von Interesse.

2.1 Einfluss von Vegetation auf das Stadtklima


Vegetation kann das Mikroklima vor allem durch Schattenbildung und Evapotranspiration beeinflussen. Die Bodennahe Lufttemperatur wird durch die Verdunstungskühle und durch Schattenfläche abgekühlt (Michael Mitterboeck, 2016). Die Strahlungstemperatur ist von hoher Bedeutung für das Stadtklima. Ein Körper, beispielsweise eine Straße in der Stadt, absorbiert elektromagnetische Strahlung der Sonne und sendet selbst Wärmestrahlung aus. Diese Wärmestrahlung hat so Einfluss auf die Bodentemperatur in der Stadt. Eine Fläche, die durch Bäume von Schatten bedeckt ist, absorbiert weniger Sonnenstrahlung und sendet auch weniger Wärmestrahlung aus. Dies trägt dazu bei, die bodennahe Lufttemperatur zu verringern und dem Effekt der städtischen Wärmeinsel entgegenzuwirken.

Der Einfluss von Globalstrahlung auf den PMV wird deutlich, berechnet man diesen mit gleichen Werten (Temperatur: 30 °C, 0,9 clo Kleidung, 80 W Aktivität, 1 m/s Windgeschwindigkeit, 12,5 hPa Dampfdruck, 53,3 % Luftfeuchtigkeit), bis auf die Globalstrahlung. Bei einer Globalstrahlung von 900 W/m^2 (viel Sonnenlicht) liegt der PMV bei 5,1 und bei einer deutlich geringeren Globalstrahlung, (wenig Sonnenlicht) von 100 W/m^2, liegt er nur bei 1,2. Der Mensch fühlt sich somit bei hohen Temperaturen wohler im Schatten eines Baumes, der die Globalstrahlung verringert.

2.2 Verbesserung des Stadtklimas durch den Einsatz von Vegetation


Eine Möglichkeit das Stadtklima zu verbessern ist die Fassadenbegrünung. Diese reduziert die Wärmeeinstrahlung am Tag und ist somit vor allem an Süd- und Westfassaden effizient. Des Weitern wird Verdunstungskühle durch die Begrünung der Fassaden geschaffen und darüber hinaus wird durch die Bindung von Feinstaub die Luftqualität verbessert. Auch die Dachflächen in Städten bieten Platz für Begrünung. Vegetation auf den Dächern trägt dazu bei die darunterliegenden Räume abzukühlen im Sommer und zu isolieren im Winter. Besonders hohe Bedeutung für die Kühlung von Städten haben Grün- und Freiflächen nahe der Innenstadt. Diese wirken als Gegenpol zu den Versiegelten Siedlungsflächen und sind auch als Ort der Erholung für die Stadtbewohner nicht zu unterschätzen. Auch einzelne Straßenbäume und Alleen spenden Schatten und tragen so zur Kühlung versiegelter Flächen bei (Stadtentwicklungsplan Klima, Berlin 2011). Eine Studie fand heraus, dass die Temperatur in der Stadt am besten (bis zu -4°C) durch Bäume mit großen Kronen, die sehr dicht aneinander stehen, gesenkt wird (Yupang Wang, Hashem Akbari, 2016). Eine weitere Studie besagt, dass die Durchschnittstemperatur an Sommertagen in einer durch Bäume beschatteten Umgebung um 1 °C gesenkt wird. Im Winter konnte kein signifikanter Temperaturunterschied festgestellt werden. Die Reduzierung der Temperatur durch Bäume an Sommertagen hat Auswirkungen auf den PMV. Ein hoher PMV, welcher unangenehme Hitze identifiziert, kann so um ca. 16% reduziert werden (Yafei Wang, 2015). Auch im Winter konnte gemessen werden, dass immergrüne Bäume den sonst niedrigen PMV leicht erhöhen konnten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Wärme unter den Bäumen gestaut wird. Diese Ergebnisse sind allerdings nicht signifikant.

3. Fazit

Vegetation und vor allem Bäume reduzieren an heißen Tagen thermisch bedingten Stress. So steigt das klimaabhängige Wohlbefinden der Menschen. Im Winter hat Vegetation allerdings keinen nachweisbaren Einfluss auf das thermische Wohlbefinden. In Zukunft sollte weiter erforscht werden wie das Humanbioklima in der Stadt durch Vegetation optimiert werden kann.

4. Quellenverzeichnis

Deutscher Wetterdienst (DWD): URL: http://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/ku_beratung/gesundheit/bioklima/bioklima_node.html (Abruf 12.11.2016)

IPCC, Synthesebericht; URL: http://www.de-ipcc.de/_media/IPCC-AR5_SYR_barrierefrei.pdf (Abruf 06.07.2017)

Lim, C. L., Byrne, C., Lee, J. KW, 2008: Human Thermoregulation and Measurement of Body Temperature in Exercise and Clinical Settings

Martinez-Molina, A., Boarin, P., Tort- Ausina, I., 2017:Post-occupancy evaluation of a historic primary school in Spain: Comparing PMV, TSV and PD for teachers' and pupils' thermal comfort

Mitterboeck, M., Korjenic, A., 2016: Analysis for improving the passive cooling of building’s surroundings through the creation of green spaces in the urban built-up area

Muthers, S., Magisterarbeit : Untersuchung des Zusammenhangs von thermischem Bioklima und Mortalität in Österreich auf der Grundlage von Messdaten und regionalen Klimamodellen

Stadtentwicklungsplan Klima, Berlin 2011

Umweltbundesamt, Klimawandel und Extremereignisse. URL: http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/klima/extremereignisse/ (Abruf 15.11.2016)

Universität Augsburg, Humanbioklimatologische Aspekte des Stadtklimas; URL: http://cost733class.geo.uni-augsburg.de/moin/iguawiki/data/pages/KursmaterialSS12(2f)StadtklimaAugsburg/attachments/ss12_PS_Stadtklima_Humanbioklima.pdf (Abruf 12.11.2016)

VDI-Komission 1988: Stadtklima und Luftreinhaltung Springer-Verlag

Wang, Y., Akbari, H., 2016: The effects of street planting on urban heat island mitigation in Montreal

Wang, Y., Bakker, F., de Groot, R., 2015: Effects of urban trees on local outdoor microclimate: synthesizing field measurements by numerical modelling

Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, URL: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimazukunft/europa/extremereignisse (Abruf 15.11.2016)



Autorin: Sonja Langela
Datum: 04.08.2017


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