{{wiki:logo.png}} ---- //Projektbericht des Vertiefungsprojektes in dem Studiengang Ökologie und Umweltplanung (WS16/17 - SS17)// ----

Im Schatten unter Bäumen - Die Strahlungs- und Energiebilanz eines Baumes in der Stadt

1. Einleitung

Seit Jahrhunderten ist weltweit ein progressives Wachstum der städtischen Bevölkerung zu beobachten. Zwischen 1950 und 2000 hat sich der Anteil der Stadtbevölkerung fast verdoppelt. Die Urbanisierung spielt eine zentrale Rolle bei der Veränderung der Landoberfläche und hat zudem Auswirkungen auf das Klima. Aufgrund hoher Bevölkerungsdichten und einem zunehmenden Urbanisierungsgrad, ist die Stadt zu einem „Beeinflusser“ des Regionalklimas geworden (Schönwiese 2013, 341f.).
Der bekannteste Effekt des Stadtklimas ist die erhöhte Lufttemperatur in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen im Vergleich zum Umland (ebd.). Der als „Städtische Wärmeinsel“ bezeichnete Effekt weist den größten horizontalen Temperaturgradienten zwischen urbanem und suburbanem Raum in der Nacht auf (Erell et al. 2011, 70). Dieser Stadtklimaeffekt bildet sich zum einen durch die Änderung des lokalen Strahlungshaushaltes infolge urbaner Stadtstrukturen und zum anderen durch den veränderten Wärmehaushalt hinsichtlich des hohen Versiegelungsgrades aus (Endlicher 2012, 63ff.). Das physische Wohlbefinden des Menschen wird durch das urbane Mikroklima beeinflusst und der menschliche Körper erfährt einen Wärmegewinn in erster Linie durch das Absorbieren direkter oder diffuser Sonneneinstrahlung (Kleerekoper 2012).

In diesem Zusammenhang soll der Straßenbaum hinsichtlich seiner Fähigkeiten die direkte Sonneneinstrahlung abzufangen und die Oberflächentemperatur unterhalb der Baumkrone im beschatteten Bereich abzusenken, betrachtet werden (Oke 1989).

Bäume verfügen über das Potenzial das Stadtklima positiv zu beeinflussen. Sie sind in der Lage die Lufttemperatur zu senken, Windturbulenzen abzubremsen und die Schadstoff- und Lärmbelastung herabzusenken. In der Stadt begegnen Straßenbäume einem stark anthropogen überprägtem Lebensraum mit anderen Standortbedingungen als in ihrem natürlichen Habitat. Der Standort eines Straßenbaumes und die dort vorherrschenden Bedingungen können sehr unterschiedlich sein (zum Beispiel vollständig asphaltierter Parkplatz vs. begrünter Vorgarten) und entsprechend die Energie- und Strahlungsbilanz des Baumes beeinflussen (vgl. Erell et al. 2011, 165ff.; Oke 1989).

2. Energiebilanz des Straßenbaumes

Die Energiebilanz wird allgemein definiert als die Differenz zwischen einfallender und austretender Energie eines physikalischen Systems (Erell et al. 2011, 27) und wurde von Mills (2008) für die urbane Grenzschicht durch folgende Formel ausgedrückt:

QR + QF = QH + QE + ∆QS (1)

mit QR als Strahlungsbilanz, QF als Wärmezufuhr anthropogenen Ursprungs, QH als sensibler Wärmeaustausch, QE als latenter Wärmeaustausch und ∆QS als die Änderung der Energie im Stadtgefüge. Die Energiebilanz der Erde wird primär durch den Strahlungshaushalt bestimmt. Die Tagesenergiebilanz eines Straßenbaumes setzt sich aus der auf ihn einwirkenden Einstrahlung und von ihm ausgehenden Ausstrahlung zusammen. Überwiegt die Einstrahlung, so ist die Bilanz positiv und es kommt zur Erwärmung. Fällt die Bilanz negativ aus, weil die Ausstrahlung größer als die Einstrahlung ist, kühlt sich der Baum ab (Oke 1989).

Die Strahlungsbilanz ergibt sich aus der Summe von direkter und diffuser Sonneneinstrahlung (Globalstrahlung), in Abhängigkeit von der Oberflächenalbedo, der langwelligen terrestrischen Strahlung und der atmosphärischen Gegenstrahlung (Erell et al. 2011, 29).

Sowohl die diffuse Strahlung, als auch die Reflexstrahlung, welche durch die Albedo bestimmt wird, wirken auf einen Baum in besonderem Maße ein. Zum einen emittieren und reflektieren die den Baum umgebenden Flächen Strahlung und zum anderen wird Strahlung durch die Baumkrone hindurch weitergeleitet. Die direkte Sonneneinstrahlung wird dagegen von der Baumkrone größtenteils abgefangen. Im Schatten ist deshalb die direkte Komponente der Globalstrahlung um ein vielfaches kleiner als im unbeschatteten Bereich (Konarska et al. 2014).

3. Durchlässigkeit direkter Sonneneinstrahlung durch Baumkronen

Konarska et al.(2014) konnten im Rahmen einer Studie in Göteborg (Schweden) eine signifikante Minderung der Gesamtstrahlung und direkten Sonneneinstrahlung im Schatten der untersuchten Bäume feststellen. Untersucht wurden die vier Laubbaumarten: Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Winterlinde (Tilia cordata), Sandbirke (Betula pendula), Kirschbaum (Prunus sp.) und die Nadelbaumart Schwarzkiefer (Pinus nigra).

Die Durchlässigkeit der direkten Sonneneinstrahlung lag bei belaubten Bäumen durchschnittlich zwischen 1.3 – 5.3 %. Die Winterlinde zeigte mit einer Durchlässigkeit von 1.3 % die höchste Strahlungsminderung, gefolgt von der Gewöhnlichen Rosskastanie mit 1.7 %. Die größte Durchlässigkeit im belaubten Zustand wurde beim Kirschbaum mit 5.3 % festgestellt, gefolgt von der Schwarzkiefer mit 5.1 %. Obwohl die Sandbirke eine sehr hohe und schüttere Krone hat, wies sie nur eine Durchlässigkeit von 3.6 % auf (ebd.).

Die Strahlungsdichte der Sonneneinstrahlung unterhalb der Baumkronen erreichte im Durchschnitt nur 5 W/m2 und blieb über den Tag annähernd konstant. Somit wurde allgemein eine sehr niedrige Durchlässigkeit der direkten Sonneneinstrahlung durch die belaubten Baumkronen gemessenen. Im Vergleich dazu wurden je nach Jahreszeit über der Baumkrone Strahlungswerte von 500 – 750 W/m2 verzeichnet (ebd.).

Im unbelaubtem Zustand traten große Schwankungen des Verhältnisses von direkter Sonneneinstrahlung von unter der Baumkrone zu über der Baumkrone im Tagesverlauf auf. Die Durchlässigkeit der direkten Sonneneinstrahlung von durchschnittlich 50.8 % - 51.9 % war für alle Arten annähernd gleich. Lediglich beim Kirschbaum wurde eine niedrigere Durchlässigkeit von 40.2 % gemessen, was auf die weite dichte Krone mit relativ dickem Geäst zurückgeführt werden konnte (ebd.).

Während des belaubten Zustandes im Sommer erreichten nur 8 – 15 % der Globalstrahlung den Schattenbereich der Bäume und im Winter blockierten Bäume durchschnittlich 48 - 60 % der Direktstrahlung (ebd.).

Eine hohe Minderung der Strahlung ist im Sommer vorteilhaft und meist erwünscht, könnte jedoch im Winter von Nachteil sein. Bei niedrigen Sonnenständen im Winter können Bäume in Straßenschluchten vom Gebäudeschatten überdeckt werden. In solchen Fällen hat der Baum keinen Einfluss auf die Strahlungsbilanz. Im Sommer bei höheren Sonnenständen würde er aber wiederum zur Minderung der Direktstrahlung beitragen können. Je nach gewünschtem Effekt besitzt der Standort eines Baumes deshalb eine wichtige Bedeutung (ebd.).

4. Radius des Minderungsvermögens von Sonneneinstrahlung

In Campinas (Brasilien) führte de Abreu (2008) Messungen verschiedener Umweltparameter (Lufttemperatur, relative Luftfeuchte, Strahlungswärme) an drei für Südamerika typischen Baumarten durch, um den Einflussradius dieser Bäume auf das Mikroklima zu ermitteln. Untersuchten wurden die Baumarten: Goldtrompetenbaum (Tabebuia chrysotricha), Jambulbaum (Syzygium cumini) und Mangobaum (Mangifera indica). Da Europa sich in einer anderen Klimazone befindet, werden solche Baumarten hier nicht als Straßenbäume eingesetzt. Die Ergebnisse der Untersuchung sind deshalb nicht ohne weiteres übertragbar. Dennoch ist interessant, ob die Minderung der Sonneneinstrahlung einen über den Schattenbereich hinausgehenden Effekt hat.

Im belaubtem Zustand wurde beim Jambulbaum die höchste Minderung der Sonneneinstrahlung mit 89.1 % festgestellt, darauf folgt der Mangobaum mit 88.6 % und der Goldtrompetenbaum mit 81.7 %. Im unbelaubtem Zustand fängt der Goldtrompetenbaum immerhin noch 46.1 % der Sonneneinstrahlung ab (ebd.).

Am Tag war die Lufttemperatur im Schatten des Goldtrompetenbaumes stets kühler als im nicht beschatteten Bereich, jedoch konnten nach außen keine Einflüsse auf die Lufttemperatur oder relative Luftfeuchte verzeichnet werden. Beim Mangobaum und Jambulbaum wurden im Radius von 10 m, 25 m und 50 m Einflüsse auf die Lufttemperatur festgestellt. Tagsüber betrug der durchschnittliche Temperaturunterschied zwischen beschattetem und unbeschattetem Bereich 2°C (ebd.).

Es zeigte sich, dass Arten mit dichten Kronen und großen Blättern, wie beim Jambulbaum oder Mangobaum, höhere Werte für die Minderung der Solarstrahlung aufweisen. Zudem vermögen Baumarten mit höherer Minderungsfähigkeit von Sonneneinstrahlung Lufttemperaturen besser zu senken, insbesondere in beschatteten Bereichen (ebd.).

Der Schattenwurf eines Baumes steigert nicht nur die thermische Behaglichkeit an heißen Sommertagen, sondern verhindert aufgrund der Beschattung von Gebäuden auch das Aufheizen von Oberflächen. So kann davon ausgegangen werden, dass weniger Energie zum Kühlen des Gebäudes notwendig wird (Endlicher 2012, 235).

5. Einstrahlungsminderung auf Gebäudeoberflächen

Genau dieser Aspekt wurde von Heisler (1986) am State College Pennsylvania in den USA untersucht. Gemessen wurde die Strahlungsminderung durch alleinstehende sommergrüne Bäume und mit Hilfe von verschiedenen Modellen überprüft, ob eine signifikante Minderung der durchschnittlichen solaren Einstrahlung auf kleine Gebäude (einstöckige Häuser) auftritt. Untersucht wurden jeweils ein Spitzahorn (Acer platanoides), eine Ahornblättrige Platane (Platanus acerifolia) und zwei Zucker-Ahorn (Acer saccharum).

Der Zucker-Ahorn hatte optisch die dichteste Krone, sowohl im belaubtem, als auch im unbelaubtem Zustand. Da die Kronendichte unter anderem abhängig ist von der Größe und dem Alter des Baumes, wurde für eine bessere Vergleichbarkeit angenommen, dass der Spitzahorn vermutlich annähernd die selbe Dichte bei gleicher Größe gehabt hätte. Der Anteil der durchschnittlichen Kronendichte von unbelaubten Bäumen zu belaubten Bäumen lag zwischen 44 – 53 % (ebd.).

Der Baum an der Westseite wies das ganze Jahr über einen für das Gebäude vorteilhaften Schattenwurf auf. Am 21. Juli war der Schattenwurf auf das Gebäude beträchtlich höher als am 21. Januar. Für den kleineren Baum an der Südseite war das Muster genau umgekehrt. Der verschattete Bereich der Gebäudeoberfläche war im Januar bedeutend größerer als im Juli (ebd.).

Die Ergebnisse belegen, dass unbelaubte sommergrüne Bäume wesentlich zur Minderung der Einstrahlung, sowohl auf vertikale als auch horizontale Oberflächen, beitragen. Im Winter ist eine hohe Beschattung von Gebäudeoberflächen von Nachteil, da nur eine geringe bis keine Erwärmung stattfinden kann und deshalb mehr geheizt werden muss. Weil die quantitativen Zusammenhänge zwischen Einstrahlung und Heizung nicht bekannt sind und auch nur zum Teil von der Einstrahlungsverminderung abhängen, sollte für Gebäude ohne Klimatisierung vermutlich eine größtmögliche Beschattung im Sommer ohne Rücksicht auf Einstrahlungsverminderung im Winter bevorzugt werden (ebd.).

6. Fazit

Straßenbäume bieten Menschen Schutz vor hoher direkter Sonneneinstrahlung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des thermischen Komforts durch Beschattung. Die Verminderung der Lufttemperatur durch einen einzelnen Straßenbaum fällt dagegen gering aus.

Die Ergebnisse der verschiedenen Studien lassen darauf schließen, dass einzelne Straßenbäume sowohl im Sommer, als auch im Winter signifikant die Strahlungsbilanz beeinflussen und an heißen Tagen im Schattenbereich zur thermischen Behaglichkeit maßgeblich beitragen können. Weil Bäume über ihr Kronendach Sonneneinstrahlung abfangen, sind sie in der Lage im Schattenbereich die Atmosphäre zu kühlen und das starke Aufheizen von Luft und Oberflächen zu verhindern.

Aus den Ergebnissen der Untersuchungen lässt sich außerdem ableiten, wie wichtig die Betrachtung des gesamten Jahresverlaufes ist. Für planungsrelevante Fragestellungen sollten demnach weniger strahlungsintensive Monate und Baumkronen im unbelaubtem Zustand beachtet werden. Vor diesem Hintergrund wären Baumarten zu bevorzugen, welche im Sommer eine geringe und im Winter eine hohe Durchlässigkeit der direkten Sonneneinstrahlung aufweisen. Jedoch entwickeln Bäume mit lichtem Astwerk und hoher Durchlässigkeit meist keine dichten Baumkronen im Sommer, weshalb nicht nur die Kronenarchitektur von Bedeutung ist, sondern auch die Baumgröße, der Standort und die Pflege.

7. Quellenverzeichnis

De Abreu, L. V., Labaki, L. C., 2008: 648: Evaluation of the radius of influence of different arboreal species on microclimate provided by vegetation. PLEA 2008-25th Conference on Passive and Low Energy Architecture, Dublin.

Endlicher, W., 2012: Einführung in die Stadtökologie : Grundzüge des urbanen Mensch-Umwelt-Systems ; 30 Tabellen. Ulmer [u.a.]: Stuttgart, 272 S.

Erell, E., Pearlmutter, D., Williamson, T., 2011: Urban microclimate : Designing the spaces between buildings. 1. publ. ed., Earthscan: London [u.a.], 266 S.

Heisler, G. M., 1986: Effects of individual trees on the solar radiation climate of small buildings. Urban Ecology, 9(3-4), 337 - 359 S.

Kleerekopper L., Van Esch, M., Salcedo T. B., 2012: How to make a city climate-proof, addressing the urban heat island effect. Resources, Conservation and Recycling, 64, 30 - 38 S.

Konarska, J., Lindberg, F., Larsson, A., Throsson, S., Holmer, B., 2014: Transmissivity of solar radiation through crowns of single urban trees—application for outdoor thermal comfort modelling. Theoretical and applied climatology, 117(3-4), 363 - 376 S.

Mills, G., 2008: Luke Howard and the climate of London. Weather, 63(6), 153 - 157 S.

Oke, T. R., Crowther, J. M., McNaughton, K. G., Montheit, J. L., Gardiner, B., 1989: The micrometeorology of the urban forest. Philosophical Transactions of the Royal Society of London B: Biological Sciences, 324(1223), 335 - 349 S.

Schönwiese, C., 2013: Klimatologie : 31 Tabellen im Text und umfangreicher Tabellenanhang. 4., überarb. und aktualisierte Aufl. ed., Ulmer [u.a.]: Stuttgart, 489 S.



Autorin: Polina Franke
Datum: 04.08.2017


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