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Eigenschaften urbaner Oberflächen und ihre mikroklimatischen Auswirkungen am Beispiel des Campus der Technischen Universität Berlin


Von Juliane Prause, Lisa Reis, Anne Schulz

Zusammenfassung

Die zunehmende Urbanisierung und die damit einhergehende Int¬ensivierung des Wärmeinseleffekts im Sommer gewinnt für Stadt- und Landschaftsplaner eine immer größere Bedeutung. Um die Aufenthaltsqualität in Städten zu verbessern, ist es deshalb wichtig bei der Gestaltung von Freiräumen die thermische Behaglichkeit einzubeziehen. In dieser Fallstudie für den Campus der Technischen Universität Berlin wird der Einfluss der Vegetation auf die Oberflächentemperatur des Bodenbelags auf mikroklimatischer Ebene untersucht und anhand des Predicted Mean Vote (PMV) mit dem Modell RayMan humanbioklimatisch bewertet. Datengrundlage sind meteorologische Kurzzeitmessungen sowie Modellierungen der mittleren Strahlungstemperatur (Tmrt) mit dem SOLWEIG-Modell für die Szenarien mit und ohne Bestandsvegetation. Der Einfluss der Vegetation auf die Oberflächentemperatur kann aufgrund der hier angewandten Modellierung nur bedingt bestätigt werden, da eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle spielen

Schlüsselwörter: Mikroklima, Humanbioklima, Vegetation, Oberflächentemperatur, PMV

Einleitung

Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen der mikroklimatischen Standorteigenschaften auf die Oberflächentemperatur (TS; engl. surface temperature) an ausgewählten Standorten des TU-Campus zu untersuchen. Es gibt bereits einige Untersuchungen, die den Einfluss der Vegetation auf die Oberflächentemperatur behandeln (ALEXANDRI, JONES 2008). Für den TU-Campus sind jedoch noch keine vergleichbaren Studien der angewandten Klimatologie öffentlich zugänglich (vgl. SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG UND UMWELT 2001). Das Vorgehen dieser Arbeit zeichnet sich durch die Kombination von Kurzzeitmessungen, Modellierung sowie einer humanbioklimatischen Bewertung aus.

Dieser Artikel beschäftigt sich genauer mit der Frage, wie die TS des Bodenbelags auf mikroklimatischer Ebene durch Vegetation als Standorteigenschaft beeinflusst wird. Die mikroklimatische Ebene ist auf einer horizontalen Skala zwischen 1 cm und 100 m und auf einer vertikalen Skala zwischen 1 cm und 10 m anzuordnen (WEISCHET, ENDLICHER 2008: 19). Die TS steht im physikalischen Zusammenhang mit der Strahlungsbilanz (ZMARSLY, KUTTLER, PETHE 2007, 30 ff.). Daraus ergibt sich, dass durch Absorption die TS erhöht wird, während sie durch Emission verringert wird. Weiterhin werden die Auswirkungen der Standorteigenschaften auf das Humanbioklima behandelt. Humanbioklimatologie beschäftigt sich mit dem Einfluss des Klimas auf den Menschen (SUKOPP, WITTIG 1998: 126). Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit sowie Gesundheit des Menschen hängen von der Anpassung an die atmosphärischen Umgebungsbedingungen ab. Um die Anpassungsleistung an die Umgebungsbedingungen zu berechnen, werden sogenannte Energiebilanzmodelle verwendet. Ein solches Energiebilanzmodell ist das Klima-Michel-Modell, welches auf der Behaglichkeitsgleichung von Fanger (1972) basiert und alle für den menschlichen Wärmehaushalt relevanten Größen verknüpft. Das Klima-Michel-Modell arbeitet mit einem Durchschnittsmenschen, der 35 Jahre alt ist, 1,75 m groß ist und 75 Kg wiegt. Die Berechnung liefert eine Aussage über das durchschnittliche subjektive Empfinden des Menschen, wozu Behaglichkeit, Wärmebelastung und Kältestress gehören (HESSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE 2013). Wärmebelastung empfindet der Mensch an Tagen mit hohen Temperaturen, einer hohen Luftfeuchte und einem schwachen Windvorkommen. Diese Wetterbedingungen wirken belastend und werden als Hitzestress empfunden. Kältestress hingegen empfindet der Mensch bei niedrigen Temperaturen, verbunden mit hoher Windgeschwindigkeit und starker Bewölkung (LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ NORDRHEIN-WESTFALEN 2010).

Vor allem in der Stadt ist die Adaption des Menschen an die Umgebungstemperatur von Bedeutung, da es im städtischen Raum wärmer als im Umland ist. Dieses Phänomen liegt in der städtischen Wärmeinsel (UHI, engl. Urban Heat Island) begründet. Der Entstehungsprozess der UHI beginnt am Tag, da die urbanen Oberflächen die kurzwellige Strahlung speichern, diese am Abend wieder freigesetzt werden und so ein Abkühlen der Nacht verhindern (LAUE 2009: 40 f.). Die UHI erzeugt im Sommer Hitzestress¬, der zu Folge hat, dass sich der Mensch unbehaglich fühlt (FEZER 1995: 33 ff.). Da die Anpassungsmöglichkeiten an eine Wärmebelastung begrenzt sind, ist es wichtig ebenfalls den Faktor Wärmebelastung bei Planungsfragen in allen Maßstäben einzubeziehen (HESSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE 2013). Die Oberflächentemperatur wird durch Vegetation beeinflusst, indem sie die kurzwellige Einstrahlung auf die Bodenoberflächen verringern (LAUE 2009: 60). Die Auswirkungen der Oberflächengestaltung auf das Humanbioklima am konkreten Beispiel des Campus der TU Berlin werden in diesem Artikel durch den Vergleich anhand von zwei Szenarien modelliert und anschließend bewertet; Szenario 1 bildet die Oberflächengestaltung mit Bestandsvegetation ab und Szenario 2 die Oberflächengestaltung ohne Vegetation. In dem Untersuchungsgebiet ist sowohl Wiesen-, Strauch- als auch Baumvegetation vorhanden. Die Modellierung liefert u.a. standortspezifische Zeitreihen der Strahlungstemperatur (Tmrt – eng. mean radiant temperature), die die Summe aller kurz- und langwelligen Strahlungsflüsse ist, denen der menschliche Körper ausgesetzt ist (LINDBERG, HOLMER, THORSSON 2008: 1). Mithilfe der Tmrt lässt sich der Predicted Mean Vote (PMV) berechnen, der als Grundlage zur Bewertung des Humanbioklimas in diesem Artikel dient. Daraus folgend wird der Zusammenhang zwischen der TS und dem PMV untersucht. Es wird folgende Hypothese geprüft: Vegetation bewirkt eine geringere TS im Sommer und wirkt sich deshalb positiv auf das Humanbioklima aus.

Methodisches Vorgehen

Die Datengrundlage beruht auf Messungen der klimatischen Bedingungen im Juni 2013 auf dem Campus TU Berlin und Modellierungen mit der Software SOLWEIG (SOlar and Long Wave Environmental Irradiance Geometry model). Die Daten der Messung wurden von einer anderen Projektgruppe (vgl. AN et al. 2013) erhoben und uns zur Verfügung gestellt. Mit den Modellierungen wurden Szenario 1 mit Bestandsvegetation und Szenario 2 ohne Vegetation dargestellt. Die Standorteigenschaften werden im folgenden Kapitel beschrieben und umfassen das Material der Bodenoberflächen, die umliegende Bebauung sowie die Bestandsvegetation.

Standortbeschreibung der Stationen

Der Campus der TU Berlin liegt im Bezirk Charlottenburg zwischen der Straße des 17. Juni, der Hardenbergstraße und der Fasanenstraße. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die zehn Messstandorte.

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Abbildung 1: Untersuchungsgebiet am Campus der Technischen Universität Berlin (Charlottenburg) (Bildquelle: Google, bearbeitet)

Die Stationen 1 bis 3 sind mit hellgrauem Pflasterstein aus Granit komplett versiegelt, teilweise von Randbebauung umgeben und weisen keine Vegetation auf. Der Gehweg an Station 4 besteht aus Betonplatten und grenzt auf der nördlichen Seite an eine versiegelte Straße und südlich an eine kleine Freifläche neben einem Gebäude. Der Gehweg wird von einer Baumreihe gesäumt. Die Station 5 ist an der westlichen Seite bebaut. Westlich und östlich des breiten Gehwegs aus großen Granitplatten grenzt jeweils eine schmale Rasenfläche mit einzelnen kleinen Bäumen. Station 6 ist nur von Rasenflächen, Bäumen und Sträuchern umgeben. Der Bodenbelag besteht aus verschiedenfarbigen Granitplatten unterschiedlicher Formate. Westlich der Station 7 liegt eine Grünfläche mit Bäumen und Sträuchern. Die östliche, nördliche und südliche Seite sind bebaut. Die Gehwegplatten der Station 8 bestehen aus Granitplatten unterschiedlicher Farbtöne. An der nördlichen Seite befindet sich ein Gebäude. Die Station 9 befindet sich an einer Wegkreuzung an der Ecke eines Gebäudes mit Randbepflanzung durch Bäume, Sträucher und Fassadenbegrünung. Der Bodenbelag aus Mischbetonplatten hat helle Farbtöne. Der von großen Bäumen gesäumte Gehweg von Station 10 besteht aus dunklen Natursteinplatten und ist nördlich bebaut. Zwischen Gehweg und Gebäude befinden sich Sträucher.

Datenerhebung

Die Datenerhebung wurde am 11.06.2013 tagsüber sowie nachts mithilfe eines mobilen Messwagens, dem Human Meteorological Vehicle (HuMVe) vorgenommen. Der HuMVe ist mit verschiedenen Messinstrumenten ausgestattet, die die TS, die relative Feuchte, die Windgeschwindigkeit und -richtung sowie die Strahlungsbilanz (Nettostrahlung) und Globalstrahlung messen und digitalisieren (TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN FACHGEBIET KLIMATOLOGIE, 2012). Es wurde an zehn Stationen stündlich, jeweils drei Minuten lang gemessen. Des Weiteren wurden die TS mit einem Strahlungspyrometer KT19 gemessen. Anhand der Messdaten für die kurzwellige einfallende Strahlung wird belegt, dass am Messtag, dem 11.06.2013, eine autochthone Wetterlage aufgrund eines Hochdruckgebiets über Berlin herrschte. Somit können Störfaktoren wie Bewölkung und Niederschlag ausgeschlossen werden.
Diese Messdaten bilden die Grundlage für die weitere Datenanalyse, wobei lediglich die Daten zwischen 14 und 15 Uhr von jeder Station verwendet wurden, da in diesem Zeitraum die TS der meisten Stationen am höchsten waren.

Datenanalyse

Die Datenanalyse wurde mit den Programmen MS Office Excel, R, SOLWEIG und RayMan durchgeführt.
Die gemessenen Werte der jeweils dreiminütigen Messungen des HuMVes der Lufttemperatur, Luftfeuchte und Windgeschwindigkeit sowie die mit dem KT19 gemessenen TS wurden für jeweils 14 bis 15 Uhr gemittelt.
Mithilfe des Modells SOLWEIG wurden räumliche Varianten der Tmrt in städtischer Umgebung auf dem Campus simuliert (UNIVERSITY OF GOTHENBURG 2010). Es liegen Ergebnisse für jede Minute des 11.06.2013 für den gesamten Campus mit und ohne Vegetation vor. Der Datensatz für SOLWEIG beruht auf einer sog. WRF-Simulation und nicht auf den Messungen des HumVe. Das WRF Model (Weather Research & Forecasting Model) simuliert eine Wettervorhersage, in diesem Fall für den Campus (KÄMPFER, HOCKE 2013).
Die Werte der Tmrt wurden für jede der Stationen um 14 Uhr gemittelt.

Zur bioklimatischen Bewertung wurde der PMV anhand des Modells RayMan (Radiation on the human body) berechnet. Der PMV ist ein Wert, der die Empfindlichkeit des Menschen angibt. Dieser Wert wird auf einer Skala von unter -3,5 bis über +3,5 angezeigt (vgl. Tabelle 1). Bei einem PMV von -0,5 bis +0,5 empfindet der Mensch Behaglichkeit, bei einem Wert von +3,5 fühlt sich der Mensch einer extremen Wärmebelastung ausgesetzt und bei einem PMV von -3,5 wird extremer Kältestress empfunden (JENDRIZKY et al. 1990: 19 f.; HUPFER, KUTTLER 2006: 496).


Tabelle 1: Thermisches Empfinden und Belastungsstufen für PMV (nach HUPFER, KUTTLER 2006: 496)

Thermische Bewertungsmethoden berücksichtigen neben physikalischen Größen wie Lufttemperatur, relative Luftfeuchte und Windgeschwindigkeit auch die unterschiedlichen Flüsse des Wärmeaustauschs zwischen Mensch und Umgebung anhand von Wärmebilanzmodellen, die z.B. die Aktivität und Kleidung des Menschen abbilden (HUPFER, KUTTLER 2006: 494). Der PMV spiegelt die thermische Behaglichkeit nach Fanger (1972) für Innenräume wider (vgl. Kapitel 1). Um den PMV auch für die bioklimatische Bewertung von Freiräumen nutzbar zu machen, werden die physikalischen Eingangsgrößen mit der Tmrt in RayMan kombiniert.
Zur Bewertung der im nächsten Kapitel vorgestellten Ergebnisse wurden die gemittelten HumVe-Daten, die Lufttemperatur, die relative Luftfeuchte, die Windgeschwindigkeit sowie die geografische Lage und die gemittelten Werte für die Tmrt der beiden Szenarien berechnet. Für die Windgeschwindigkeit lagen allerdings nur die Daten der Stationen 1, 4, 5 und 7 vor.

Ergebnisse

Folgend werden die gemittelten TS zwischen 14 und 15 Uhr dargelegt. Der Mittelwert liegt bei 31°C. Die Werte für die Stationen 1, 2, 3, 5, 6, 8 und 9 liegen über dem Mittelwert. Der höchste Wert liegt bei 36,9°C an Station 3. An den Stationen 4 (21,5°C), 7 (22°C) und 10 (24,5°C) sind die TS vergleichsweise niedrig (vgl. Abbildung 2).


Abbildung 2: TS für die Stationen 1-10 am 11.06.2013 zwischen 14 und 15 Uhr

Das Szenario 1 bzw. der Ist-Zustand mit Bestandsvegetation wird im Folgenden als PMV1 und das Szenario 2 ohne Vegetation als PMV2 angegeben. Der PMV1F ist an den Stationen 1 (PMV1 = 0,1), 2 (PMV1 = 0,3) und 3 (PMV1 = 1,7) für beide Szenarien identisch. An den Stationen 4 (PMV1 = 0,1), 5 (PMV1 = 2,4), 6 (PMV1 = 0,2), 7 (PMV1 = 0,5), 8 (PMV1 = 2,4), und 9 (PMV1 = 2,0) ist der PMV beim Szenario 1 um eine Einheit kleiner als bei Szenario 2. Die Station 10 fällt durch die große Abweichung der Werte besonders auf (vgl. Abbildung 3). Sie liegen bei PMV1 = 0,5 und PMV2 = 3,6.


Abbildung 3: PMV für die Stationen 1-10 am 11.06.2013 zwischen 14 und 15 Uhr

Um die Güte des PMV zu überprüfen, wurde für Szenario 1 die Werte von Tmrt und TS miteinander verglichen. An den Stationen 1, 7 und 10 liegen die Werte für Tmrt und TS sehr dicht beieinander (vgl. Abbildung 4).


Abbildung 4: Differenz Tmrt und TS von allen Stationen am 11.06.2013 zwischen 14 und 15 Uhr

Humanbioklimatologische Bewertung der Ergebnisse

Das thermische Empfinden auf dem Campus fällt für beide Szenarien fast identisch aus. An den Stationen 1, 2, 4 und 6 liegt der PMV für beide Szenarien sowie für Station 10 mit Vegetation im behaglichen Bereich, so dass der Mensch keine physiologische Belastung verspürt. An Station 7 ist der PMV beider Szenarien ähnlich, wobei der PMV bei Szenario 2 im Bereich einer mäßigen Wärmebelastung liegt. An den Stationen 3, 5, 8 und 9 ist der Mensch dagegen in beiden Szenarien mit einem PMV von 1,7 bis 2,5 einer mäßigen Wärmebelastung ausgesetzt. In Szenario 2 liegt der PMV für Station 10 bei 3,6, der äquivalent für eine extreme Wärmebelastung steht (vgl. Tabelle 2).


Tabelle 2: PMV für beide Szenarien an den Messstationen

Die mäßige Wärmebelastung an den oben genannten Stationen steht in Zusammenhang mit der erhöhten TS. Die TS ist daher als ein Einflussfaktor für das Humanbioklima zu bewerten. In der Diskussion wird die eingangs aufgestellte Hypothese aufgegriffen, inwieweit die Vegetation die TS und somit auch das thermische Empfinden beeinflusst. Anhand der Abbildung 4 (vgl. Kapitel 3) wird ersichtlich, dass die Modellierung die Realität nicht ausreichend abbilden kann. Die Tmrt ist eine Ersatztemperatur für alle Umgebungsoberflächen. Sie repräsentiert den Wärmeaustausch durch Strahlung zwischen einer Person und deren Umgebung (ZÜRCHER, FRANK 2004, 12). Die Modellierung würde die Realität gut widerspiegeln, wenn die Werte für Tmrt und TS nahezu identisch wären. Dies trifft hier nicht zu.

Diskussion

Der PMV ist bei allen Stationen außer bei Station 10 in beiden Szenarien identisch oder liegt zumindest sehr nah beieinander. Deshalb kann in diesem Szenarienvergleich nicht auf einen signifikanten Einfluss der Vegetation auf die TS geschlossen werden. Szenario 1 bildet den Ist-Zustand auf den Campus ab, bei dem jedoch nicht an allen Stationen Vegetation vorhanden ist (vgl. die Standortbeschreibungen in Kapitel 2.1). Einige Standorte sind darüber hinaus komplett versiegelt. Eine versiegelte Oberfläche bewirkt eine verminderte Evapotranspiration, die zu einer Erhöhung der TS führt (SUKOPP, WITTIG 1998: 136 f.). Würden alle Stationen Vegetation aufweisen, ergäben sich wahrscheinlich deutliche Unterschiede für physikalische Einflussgrößen und den PMV. Einen Hinweis darauf gibt der große Unterschied der PMV-Werte an Station 10.

Die Auswirkungen von Vegetation und Bebauung auf die TS werden durch den Sky View Factor (SVF) mit Werten zwischen 0 und 1 veranschaulicht. Der SVF zeigt, wie groß der Öffnungswinkel zum Himmel ist. Der Maximalwert ohne Sichteinschränkungen für den SVF ist 1,0. Mit einer Abnahme dieses Wertes kühlt sich die TS ab (LAUE, 2009: 41). Dieser Zusammenhang kann bspw. anhand der SVF für die Stationen 4 und 5 belegt werden. Der Öffnungswinkel wird an Station 4 (SVF = 0,24) durch Vegetation und Bebauung verringert. Die TS ist hier ebenfalls niedrig. Bei Station 5 (SVF = 0,82) ist ein hoher SVF bei hoher TS gegeben. An Station 10 ist der SVF einem Wert von 0,14 sehr gering (vgl. AN et. Al 2013: 94). Dies begründet die Behaglichkeit an diesem Standort, was mit einem Wert von PMV = 0,5 belegt wird. Der Öffnungswinkel wird durch Baumvegetation und nahe stehender Bebauung verringert (vgl. Kapitel 2.1). Der SVF an der Station 10 ist im Gegensatz zu allen anderen am geringsten (vgl. Abbildung 6), was den großen Unterschied der Werte des PMV in beiden Szenarien erklärt.


Abbildung 6: SVF für die Stationen 1 bis 10 im Juni 2013 (AN et al.2013: 94)

Es sind weitere Einflussfaktoren auf die TS wie die Windgeschwindigkeit oder die Albedo relevant. Die Windgeschwindigkeit wird zwar in RayMan berücksichtigt, jedoch standen uns nicht für alle Stationen Winddaten zur Verfügung. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb die Ergebnisse verzerrt sein könnten.
Die Albedo ist der Quotient aus reflektierter und einfallender Strahlung, bei dem das Rückstrahlungsvermögen von diffus reflektierenden Oberflächen in Prozent oder als Dezimalwert zwischen 0 und 1 angegeben wird (FOKEN 2006: 12; MALBERG 2007: 44). Der Einfluss der Albedo auf die TS ist teilweise im städtischen Raum erheblich für die Überwärmung verantwortlich. Das bedeutet für die Freiraumplanung, dass sich das thermische Behaglichkeitsempfinden über die Albedo der Oberflächen verändern lässt, indem andere Materialien eingesetzt werden (LAUE 2009: 52). Die Albedo kann anhand der Messdaten für Szenario 1 berechnet, jedoch nicht in SOLWEIG modelliert werden. Deshalb wurde sie in dieser Untersuchung nicht als Einflussfaktor einbezogen.

Weiterhin sind Materialeigenschaften wie u.a. Bodenrauigkeit, Dichte und Wärmeleitfähigkeit Faktoren, die die TS bedingen (LAUE 2009: 52 ff.). Auch Messungenauigkeiten können nicht ausgeschlossen werden. Dadurch können die Ergebnisse und somit die Bewertung verzerrt werden.

Schlussfolgerung

Die Hypothese, dass Vegetation eine geringere TS im Sommer bewirkt und sich deshalb positiv auf das Humanbioklima auswirkt, wird in dieser Untersuchung ansatzweise bestätigt. Der signifikante Unterschied des PMVs an Station 10 zwischen beiden Szenarien ist ein Beweis der Hypothese, indem Station 10 sensitiv auf Vegetation und Oberflächenbeschaffenheit reagiert.
Das Behaglichkeitsempfinden kann durch gezielte planerische Maßnahmen in Freiräumen auf mikroklimatischer Ebene positiv beeinflusst werden, auch wenn es primär von regionalen oder überregionalen klimatischen Bedingungen bestimmt wird. Extreme Wärmebelastung kann jedoch kleinräumig verringert werden (LAUE 2009: 60). Für den Campus bedeutet das, dass an den besonders versiegelten Standorten mit erhöhter Wärmebelastung Vegetation ergänzt werden sollte. Dies wird am Szenarienvergleich an der Station 10 deutlich.

Die Zusammenarbeit zwischen Landschaftsarchitekten und Stadtklimatologen wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle einnehmen, um die thermische Behaglichkeit in Freiräumen zu optimieren und aus humanbioklimatischer Sicht zu verbessern. Die thermische Behaglichkeit kann durch den gezielten Einsatz von beispielsweise Vegetation und geeigneten Materialien beeinflusst werden. Dem Landschaftsarchitekten steht beratende Literatur, die diverse Studien, Simulationen und Messergebnisse beinhaltet, zur planerischen Ausführung unter klimatischen Gesichtspunkten zur Verfügung. Jedoch ist ein Defizit über die Anwendung im Planungsprozess zu verzeichnen. Es existieren wenig numerische Angaben zum Wirkungszusammenhang zwischen Material und bioklimatischen Auswirkungen (LAUE 2009: 81). Wir erachten es daher als notwendig, die angewandte Klimatologie auf diesem Gebiet durch Forschung zu ergänzen.

Quellenverzeichnis

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