{{ :logo.png }}

Stadtklimaanalyse mittels numerischer Simulation unter Berücksichtigung des Klimawandels für Hamburg


Von Mareen Badur

Einleitung

Es wird erwartet, dass bis 2030 mehr als 60 % der Weltbevölkerung in Städten leben (Bolund, Hunhammar 1999). Daraus resultiert, dass die Stadt ein wichtiger Lebensraum für den Menschen ist und sein wird und das die Stadt die Lebensqualität der meisten Menschen beeinflusst.

Die Humanbioklimatologie befasst sich mit den Einwirkungen von atmosphärischen bzw. klimatologischen Gegebenheiten und Vorgängen auf den Menschen. Hierbei ist der thermisch-hygrische Wirkungskomplex als physiologischer Wärmehaushalt entscheidend. Dieser setzt sich primär aus den Klimaelementen Lufttemperatur, Luftfeuchte und Wind zusammen sowie sekundär aus Strahlungsvorgängen (Schönwiese 2013). Die Humanbioklimatologie hat eine wachsende Bedeutung, da die globalen Klimaveränderungen das Stadtleben in Deutschland hinsichtlich einer städtischen Erwärmung verändern. Hitzebelastung im städtischen (urbanen) Raum bringt gesundheitliche Risiken für den Menschen mit sich, wie eine erhöhte Infektionsgefahr, ein erhöhtes Allergierisiko sowie ein erhöhtes Risiko zur Erkrankung an Herz-Kreislauf-Störungen (Böhme et al. 2012).

Die Hansestadt Hamburg führte eine modellgestützte Klimaanalyse durch, d.h., dass Aussagen über die Wärmebelastung, Durchlüftung und Bioklima anhand von Grundlageninformationen über die Stadt, wie Topographie, Bebauung, Vegetation und Kenntnissen über atmosphärische Prozesse lokalklimatische Phänomene abgeleitet werdet. Hinzu wurde ein Klimawandelszenario 2050 durchgeführt, welches die voraussichtliche stadtklimatische Entwicklung bis zum Jahr 2050 aufzeigt. Es sollte eine Themenkarte ‚Stadtklima’ (= Gutachten) entstehen mit detaillierten Stadtklimainformationen und räumlichen Handlungsschwerpunkten für eine klimaverträgliche zukünftige Stadtentwicklung als Teil des Landschaftsprogramms. Somit können aus dem Gutachten klima- und immissionsökologische Qualitätsziele und planungsrelevante Entwicklungsziele und Maßnahmen abgeleitet werden (SULP 2012: VII-X).

Klimaanalyse

Zuerst wurde eine Klimaanalyse mit einem numerischen Modell, hier FITNAH (Flow over Irregular Terrain with Natural and Anthropogenic Heat Sources), durchgeführt. FITNAH ist ein mesoskaliges Klima- und Strömungsmodell, dass physikalisch fundiert die räumlichen und/oder zeitlichen Lücken zwischen den Messungen schließt sowie weitere meteorologische Größen, die nicht gemessen wurden, berechnet und Wind- und Temperaturfelder in ihrer raumfüllenden Struktur ermittelt. Vom Modell werden die meteorolgischen Variablen als repräsentative Werte für das entsprechende Raster berechnet (SULP 2012: 5). Mögliche Rastergrößen sind 25 m x 25 m bis hin zu 1.000 m x 1.000 m., womit der Maßstabsbereich von 1 : 20.000 bis 1 : 100.000 abgedeckt ist. Die Parametrisierung ermöglicht eine kleinere Auflösung sofern dies notwendig ist, z.B. bei entscheidenen Stadtstrukturen wie einzelne Gebäude und/oder Baumbestand.

Die Messdaten wurden bei autochthoner Wetterlage ermittelt, da es hierbei aufgrund einer nur geringen übergeordneten Windströmung zu einer besonders guten Ausprägung der lokalklimatischen Besonderheiten in einer Stadt kommt. In Hamburg treten diese Wetterlagen an ca. 11 % der Nachtstunden in den Sommermonaten Juni, Juli und August auf (SULP 2012: 7).

Bei der Klimaanalyse gab es den Untersuchungsbereich mit klimaökologisch wirksamen Nutzungsstrukturen, welche differenziert wurden in Grün- und Freiflächen als Kaltluftentstehungsbereiche und Kaltluftlieferanten, sowie in Siedlungsflächen als Belastungsräume. Die Kaltluftlieferung von Grün- und Freiflächen in die Siedlungsflächen hinein ist unterschiedlich ausgeprägt und kann je nach Bebauungsstruktur und Lage im Raum stark variieren. Für das Bioklima in den Siedlungsflächen, welches in ausreichend durchlüftete Areale und klimatische Belastungsbereiche unterteilt wurde, sind Grün- und Freiflächen als lokale Abkühlungsregion zu sehen (Abbildung 1). Diese Flächen kühlen die direkte, unmittelbare Umgebung ab. Die Beurteilung der bioklimatischen Belastung eines Baublockes erfolgt mithilfe des Bewertungsindexes Predicted Mean Vote (PMV), welcher den Grad der Unbehaglichkeit bzw. Behaglichkeit als mittlere subjektive Beurteilung einer größeren Anzahl von Menschen angibt (SULP 2012: 11). Weiter wird das allgemein lokale Wetterniveau der Klimaanalyse statistisch zugrundegelegt und die Abweichung eines Klimaparameters von den mittleren Verhältnissen im Raster bewertet. Die VDI-Richtlinie definiert zur Einordnung der Ergebnisse vier Bewertungskategorien: sehr günstig, günstig, weniger günstig und ungünstig (siehe Abbildung 1; SULP 2012: 12).

Die Abbildung 1 zeigt auf, dass Siedlungsräume mit einer ungünstigen bioklimatischen Situation in der Mitte einer Blockbebauung liegen, woraus resultiert, dass die Belastung auch vom Strukturtyp der Bebauung und damit vom Überwärmungsgrad abhängt. Günstige und sehr günstige bioklimatische Situationen herrschen in Siedlungsräumen vor, wenn die Bebauung in der Nähe einer Grün- und Freifläche steht. Daraus schlussfolgernd sind günstige Stadtstrukturen vorhanden, wenn der Luftaustausch zwischen Ausgleichsräumen (= Grün- und Freiflächen) und Belastungsräumen (Siedlungsräume) ermöglicht wird und somit die Enststehung von Kaltluftleitbahnen möglich ist (SULP 2012: 10,11).

Abbildung 1: Klimafunktionen im Bereich des Stadtkerns von Hamburg (SULP 2012: 40)

Klimawandelszenario 2050 (ENVELOPE- Methode)

Die vorerst durchgeführte Klimaanalyse stellt die Basis für das nun folgende Klimaszenario 2050, welches mit der ENVELOPE- Methode (deutsch: Umhüllende- Methode) durchgeführt wurde, dar. Der vierte Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC; deutsch: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaveränderungen) von 2007 über Klimaänderungen fasst den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammen. Deutschland wird aufgrund des schnellen wirtschaftlichen Wachstums sowie der gleichzeitigen Nutzung fossiler und regenrativer Energieträger das Szenario A1B zugeordnet (SULP 2012: 17).

Es werden Klimaveränderungen, wie die Erhöhung der globalen Mitteltemperatur um etwa 2° C bis 4° C, die Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Hitze und Dürre und eine Veränderung in der Intensität und Verteilung von Niederschlägen sowie die saisonale Verschiebung des Jahresniederschlags mit einer Abnahme von 20 bis 30 % im Sommer und einer Zunahme von 10 bis 20 % im Winter erwartet. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf verschiedenste gesellschaftliche Bereiche, wie etwa der menschlichen Gesundheit im urbanen Raum (Böhme et al. 2012).

Die ENVELOPE- Methode beinhaltet eine Regionalisierung der globalen Klimaveränderungen auf Hamburg im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Klimakenntnissen beruhend auf der vorausgegangenen Klimaanalyse. Diese Daten werden ebenso mit dem Strömungsmodell FITNAH modelliert. „Alle berechneten regionalen meteorologischen Situationen liegen innerhalb dieses Raumes und werden von den Seitenflächen eingehüllt” (SULP 2012: 15). Somit ergibt sich ein thermischer Wirkungskomplex von heute und 2050. Dieser Wirkungskomplex zeigt beispielsweise die räumlichen Strukturen auf, die eine Wärmebelastung aufweisen oder die Anzahl der Hitzetage oder Tropennächte (Abbildung 2). Für die Humanbioklimatologie ist die Hitzebelastung in der Nacht entscheidend (sogenannte Tropennächte), da der Mensch nachts seine Erholungsphase hat und es bei einer Störung durch Hitze, z.B. Durchschlaf- oder Einschlafstörungen, zu gesundheitlichen Problemen kommen kann (SULP 2012: 11).

Die Abbildung 2 zeigt für das Zukunftsszenario eine Erhöhung der Anzahl der Tropennächte im Jahr. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind etwa 0,5 Tropennächte/ Jahr zu verzeichnen. Im Zukunftsszenario werden 0 bis 5 Tropennächte/Jahr erwartet. Deutlich wird auch, dass es zu Unterschieden aufgrund von variierenden Bebauungsstrukturen kommt. Die Zahl 1 auf der Abbildung 2 lokalisiert den belasteteren Bereich Hamburg Neustadt (dichte Blockbebauung, hoher Versiegelungsgrad), die Zahl 3 den entlasteteren Bereich Hamburg Othmarschen ( Einzel- und Reihenhausbebauung mit Privatgrün, niedriger Versiegelungsgrad). Somit ist eine stärkere nächtliche Hitzebelastung in den Blockbebauungen, welche einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, vorzufinden. Die Grün- und Freiflächen in Hamburg weisen im Ist-Zustand und in der Gegenwart einen temperaturdämpfenden Effekt in der Nacht auf (SULP 2012: 57). Schlussfolgernd ist eine Steigerung der nächtlichen Hitzebelastung für den Menschen bis 2050 zu erwarten, woraus eine gesundheitliche Gefährdung hervorgehen kann (SULP 2012: IX, X).

Abbildung 2: Anzahl der Tropennächte/ Jahr (nächtliche Minimumtemperatur von mehr als 20 C ) in Hamburg (SULP 2012: 56)

Zielsetzungen und Maßnahmen

Aus den erworbenen Kenntnissen über das Stadtklima, insbesondere mit dem Klimawandelszenario, ist eine Basis für die Weiterentwicklung der Klimaanpassungsstrategie für Hamburg erarbeitet worden. Diese Ergebnisse machen es möglich, klima- und immissionsökologische Qualitätsziele und planungsrelevante Entwicklungsziele und Maßnahmen zu formulieren (SULP 2012: I,VIII).

Folgende Zielsetzungen wurden formuliert:

  • Die Vermeidung von Austauschbarrieren gegenüber bebauten Randbereichen.
  • Die Grün- und Freiflächen untereinander vernetzen, damit Kaltluftleitbahnen entstehen können.
  • Bei nutzungsintensiveren Eingriffen die Baukörperstellung in Hinblick auf Kaltluftströmungen berücksichtigen (Neubauten parallel zur Kaltluftströmung ausrichten).
  • Die Bauhöhen insgesamt gering halten.
  • Den Grün- und Freiflächenanteil erhalten.
  • Durch eine weiterhin gute Durchlüftung und hohen Grünanteil das gegenwärtige Bioklima erhalten (SULP 2012: 43,44).

Maßnahmen zur Verringerung der Wärmebelastung im Siedlungsraum sind die Entsiegelung von Blockinnenhöfen und des Straßenraums, Straßenbäume erhalten und Lücken schließen, Verbesserung der wohnungsnahen Grünflächenversorgung, keine weitere Verdichtung und Erhöhung des Vegetationsanteils sowie der Erhalt aller Grün- und Freiflächen (SULP 2012: 62).

Fazit

Mithilfe der Klimaanalyse und des Klimawandelszenarios 2050 ist ein umfassendes stadtklimatisches Gutachten für das Landschaftsprogramm Hamburg erstellt worden.

Die Vorteile der Nutzung eines numerischen Modells, hier FITNAH, sind u.a. die Modellierung von komplexen Prozessen, die Generierung von gewünschten zahlenmäßigen und graphischen Ergebnissen im Anwendungsfall (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg 2007), wodurch eine Simulation sowie das Studium von mehreren Planungsvarianten und Ausgleichsmaßnahmen in ihrer Wirkung und Effizienz möglich wird sowie der Vorteil der hohen räumlichen Auflösung (MVI 2012), woraus sich jedoch gleichzeitig ein Nachteil ergibt aufgrund der teilweise langen Berechnungsdauer wegen des großen Datenumfangs. Das Klimaszenario hat den Vorteil, dass es die Möglichkeit bietet, eventuelle Situationen in der Zukunft einzugrenzen und dadurch langfristige, nachhaltige Planungen möglich werden, jedoch bleibt der Nachteil, dass das Szenario mit Unsicherheiten behaftet ist: Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung des der das Klima bestimmenden anthropogenen und natürlichen Größen sowie die Unsicherheit durch Ungenauigkeiten in vorausgegangenen globalen Klimamodellen.

Diese Methodik mit dem daraus resultierenden Gutachten hat eine große Bedeutung für die Planung, da eine allumfassende Planung und Gestaltung eines Gebiets; die Sicherung, Entwicklung und Wiederherstellung klima- und immissionsökologisch wichtiger Oberflächenstrukturen und die Empfindlichkeit gegenüber Nutzungsänderungen betrachtet werden kann. Diese Eigenschaften der hier durchgeführten Klimaanalyse und des Klimawandelszenarios ermöglichen den Menschen die Stadt als sicheren und gesunden Lebensraum, auch in der Zukunft, zu gestalten.

Quellenverzeichnis

BÖHME, C., KLIEMKE, C., REIMANN, B., SÜß, W. (Hrsg.), 2012: Handbuch Stadtplanung und Gesundheit. 1. Auflage. Huber: Bern.

BOLUND, P. UND HUNHAMMAR, S., 1999: Ecosystem services in urban areas. In: Elsevier (Hrsg.): Ecological Economics 29. 293-301 S.

GEONET UMWELTCONSULTING GMBH (Hrsg.), 2011:Klimaanalyse in der Umweltplanung. Online im Internet: URL: http://www.na-hessen.de/downloads/11n135kommunenklimawandelklimaanalyse.pdf [Stand 29.11.2013].

LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (Hrsg.), 2007: Hydraulik naturnaher Fließgewässer. Teil 4. Auflage 1. Online im Internet: URL: http://www.lubw.baden- wuerttemberg.de/servlet/is/14422/hydraulik_teil_4.pdf?command=downloadC ontent&filename=hydraulik_teil_4.pdf [Stand 29.11.2013].

MVI: MINISTERIUM FÜR VERKEHR UND INFRASTRUKTUR BADEN-WÜRTTEMBERG (Hrsg.), 2012: Städtebauliche Klimafibel. Stuttgart. Online im Internet: URL: http://www.staedtebauliche-klimafibel.de/ [Stand 29.11.2013].

SCHÖNWIESE, C.-D., 2013: Klimatologie. 4. Auflage, Ulmer: Stuttgart.

SULP: BEHÖRDE FÜR STADTENTWICKLUNG UND UMWELT, AMT FÜR LANDES- UND LANDSCHAFTSPLANUNG, AMT FÜR LANDES- UND LANDSCHAFTSPLANUNG/LP2, 2012: Stadtklimatische Bestandsaufnahme und Bewertung für das Landschaftsprogramm Hamburg. Hamburg. Online im Internet: URL: http://www.hamburg.de/contentblob/3519382/data/gutachten-stadtklima.pdf [Stand 17.11.2013].


Navigation

[[OP Prima Campus-Klima| Titelseite]]\\ [[FAQ | FAQ]]\\ \\ ---- === Humanbioklima in der Praxis === * [[REGKLAM Dresden | REGKLAM Dresden]]\\ * [[Stadtentwicklung Berlin | Stadtentwicklung Berlin]]\\ * [[Landschaftsprogramm Hamburg & Klimaszenario 2052 | Landschaftsprogramm Hamburg & Klimaszenario 2050]]\\ * [[VDI-Bericht 1330 | VDI-Bericht 1330]]\\ * [[Umweltatlas Hessen | Umweltatlas Hessen]]\\ * [[Stadtklimaanalyse Trier | Stadtklimaanalyse Trier]]\\ * [[Regionale Klimaanalyse südlicher Oberrhein | Regionale Klimaanalyse südlicher Oberrhein]]\\ * [[Thermische Komponente des Stadtklimas | Thermische Komponente des Stadtklimas]]\\ * [[Städtebauliche Klimafibel Stuttgart]]\\ * [[Anpassung Klimawandel in Nordrhein-Westfalen | Anpassung Klimawandel in Nordrhein-Westfalen]]\\ * [[Synthese]]\\ \\ ---- === Feldstudien === * [[Hot in the City | Hot in the City]]\\ * [[Skin City | Skin City]]\\ * [[Where the wind blows | Where the wind blows]]\\ \\ ---- ===Exkursionswoche=== [[Exkursion#Protokoll Wettermuseum | Wettermuseum]]\\ [[Exkursion#Protokoll Senatsverwaltung | Senatsverwaltung]]\\ \\ ---- === Epilog === [[Fazit | Fazit]]\\ ---- [[Glossar | Glossar]]\\ [[Biliographie | Bibliographie]]\\ [[Impressum | Impressum]]\\ ---- \\ [[http://www.klima.tu-berlin.de/dokuwiki/doku.php?id=start&do=login | Anmelden]]\\ [[http://www.klima.tu-berlin.de/dokuwiki/doku.php?id=start&do=logout | Abmelden]]\\ [[http://www.klima.tu-berlin.de/dokuwiki/doku.php?id=wiki:navigation | Editor für "Navileiste" ]]\\

QR-Code
QR-Code wiki:landschaftsprogramm_hamburg_klimaszenario_2052 (erstellt für aktuelle Seite)