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Untersuchung des Stadtklimas mit Hilfe eines Modellierungsprogramms am Beispiel München

ausgearbeitet von Marlene Woik

Einleitung

Bedingt durch die klimatischen Veränderungen auf der Erde kommt es zukünftig zu häufiger auftretenden Hitzeperioden, die sich vor allem in stark verdichteten Stadtteilen negativ auf die Lebensqualität auswirken können, indem das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigt wird (BÖHME et al. 2012).
Während solcher Hitzeperioden sind in den urbanen Ballungsräumen, im Vergleich zur ländlichen Umgebung, bodennah höhere Lufttemperaturen zu beobachten. In diesem Fall werden Städte als urbane Hitzeinseln oder Urban Heat Islands (UHI) bezeichnet (SCHÖNWIESE 2013). Dabei verstärken austauscharme sommerliche Hochdruckwetterlagen ohne übergeordnete Strömung (autochthone Wetterlage) den Wärmeinseleffekt. Es können thermische und lufthygienische Belastungen in den dichtbebauten Stadtgebieten entstehen, da dort wegen der geringen Windgeschwindigkeit die kühlere Luft von den Freiflächen und Parkanlagen nicht in die überhitzten Bereiche vordringen kann. Somit ist der Luftaustausch in den bodennahen Luftschichten herabgesetzt, was zu einer Stauung von warmer Luft und zu einer Anreicherung von Schadstoffen wie Feinstaub oder Ozon führt (BÖHME et al. 2012).
Da mehr als die Hälfte der Bevölkerung weltweit in Städten lebt, steigt die Relevanz der Stadtklimatologie und Stadtplanung (CHING et al. 2014). Die Stadtklimaanalyse München befasst sich mit den klimatischen Funktionen des Stadtgebietes und der Umgebung. Für die Analyse, wie auch bei vielen anderen Klimauntersuchungen, wird eine autochthone Wetterlage gewählt, da diese sozusagen eine „Worst-case“-Situtation darstellt. Denn bei dieser Wetterlage bilden sich die thermischen und lufthygienischen Belastungen besonders stark in den dicht bebauten Gebieten aus (GEO-NET 2014). Für die Analyse in München wurde ein mesoskaliges Modellierungsprogramm herangezogen um die aktuellen thermischen und lufthygienischen Verhältnisse der Stadt aufzuzeigen.
Die durchgeführten Untersuchungen in München sollen zu der Sicherung, Entwicklung und Wiederherstellung wichtiger Oberflächenstrukturen für das Stadtklima beitragen, um damit dem Hitzestress und den lufthygienischen Belastungen zukünftig entgegenzuwirken. Dabei stehen besonders die für das Stadtklima bedeutenden Kaltluftproduktionsflächen wie Friedhöfe, Brachen, Sportplätze und Kaltluftleitbahnen wie Bahntrassen, Freiflächen und Gewässer im Fokus (OSTERAUER 2014).

Daten, Methode und Ergebnisse

Um die aktuellen klimatischen und lufthygienischen Verhältnisse der Stadt München aufzuzeigen, wird das Modell „FITNAH“ (Flow over Irregular Terrain with Natural and Anthropogenic Heat sources) genutzt, welches ein Werkzeug zur Klima- und naturnahen Strömungsberechnung ist (SENSTADTUM o.A.). Die Analyse bezieht sich auf einen Untersuchungsraum mit einer Gesamtgröße von ca. 567 km2. Damit geht das untersuchte Gebiet über das Stadtgebiet München hinaus, um vorhandene Strukturen wie Wald- und Ackerflächen in die Klimamodellierung mit einfließen zu lassen (GEO-NET 2014). Das für die Analyse verwendetet FITNAH ist ein numerisches Modell, das heißt, die klimatischen Vorgänge werden mit Hilfe von Differenzialgleichungen auf einem Rechner simuliert. Diese Differenzialgleichungen beschreiben die physikalischen Vorgänge in der Mesoskala, die bei bestimmten Wettersituationen vorherrschen (LANG 2009).
Die Lösungen der Gleichungen werden in einem dreidimensionalen Raster mit einer Maschenweite von 50 m x 50 m dargelegt. Diese Maschenweite wird gewählt, um die lokalklimatischen Besonderheiten in München und dem nahen Umland zu erfassen. Denn je feiner das Raster, desto mehr Details und Strukturen werden aufgelöst.
Allerdings steigen mit feiner werdender Rasterweite die Anforderungen an Rechenzeit sowie an die benötigten Eingangsdaten. Die Strömung wird als Windvektor mit Komponenten in alle drei Raumrichtungen dargestellt und wird in den Gleichungen berücksichtigt. Das bedeutet, dass zahlreiche Effekte, die Einfluss auf die Strömung haben, durch die verwendeten Gleichungen darstellbar sind. Zu diesen Effekten gehören unter anderem der Antrieb durch Luftdruckunterschiede und der Antrieb durch vertikale und horizontale Temperaturunterschiede, sowie der Einfluss von Bebauung und Vegetation auf die Strömung (GEO-NET 2014).

Für die Datengrundlage der Modellrechnung werden Daten zur Geländehöhe und Daten zur Lufthygiene herangezogen. Außerdem wird eine möglichst genaue Abbildung der verschiedenen Landoberflächen im Gebiet benötigt.
Diese Landoberflächen werden durch Parameter, die das Stadtklima beeinflussen, wie die Gebäudehöhe, die Bebauungsdichte und den Grad der Oberflächenversiegelung, voneinander abgegrenzt.
Dafür wird ein vereinfachter Landoberflächenschlüssel erstellt, der mit der Strukturtypenkartierung der Landeshauptstadt München aufbereitet wird, indem die Detailinformationen, wie der Versiegelungsgrad, bei der Zuordnung der Landoberflächenklasse berücksichtigt werden. Der Landoberflächenschlüssel besteht aus 14 Klassen, die jeweils den Namen einer Nutzungskategorie tragen, die kurz beschrieben wird. Zudem ist der mittlere Versieglungsgrad in Prozent und die mittlere Strukturhöhe in Metern aufgeführt. Um die Geodatenbasis zu vervollständigen werden für die Bereiche außerhalb des Stadtgebiets Corine-Landbedeckungsinformationen herangezogen, da es für dieses Areal zu diesem Zeitpunkt noch keine detaillierten Daten gibt.
Durch die Auflösung des Rasters mit der Maschenweite von 50 m können wichtige Parameter für das städtische Mikroklima wie Einzelgebäude und kleine Baumgruppen nicht erfasst werden. Diese werden dann anhand von Luftbildern identifiziert und mit Hilfe einer Parametrisierung in den einzelnen Rasterzellen berücksichtigt.
Bei der Parametrisierung werden Effekte der nicht aufgelösten Strukturen durch die vom Modell berechneten Variablen summiert dargestellt. Mit dem Porositätsansatz kann der Einfluss von Gebäuden auf die Windgeschwindigkeit berücksichtigt werden. Dabei wird das Volumen einzelner Gebäude auf das Rastergitter aufgespannt, wodurch das Rastervolumen nur noch zu einem geringeren Anteil durchströmt werden kann. Dies wird so gehandhabt, da beispielsweise einzelne Gebäude im bebauten Gelände ein Hindernis für die Strömung darstellen und sie damit verzögern. Jedoch können diese auch lokal den Wind durch einen Düseneffekt beschleunigen.
Kleine Baumgruppen und einzelne Gebäude spielen eine wichtige Rolle für das Mikroklima, da sie Einfluss auf das Windfeld oder den Strahlungshaushalt haben und somit durch die Parametrisierung in der Modellierung in FITNAH berücksichtigt werden (ebd.).

Die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse München sind die Klimafunktionskarte, die den “Ist-Zustand” der Klimasituation in München beschreibt, sowie die Bewertungskarten des Stadtklimas unter autochthonen Bedingungen. Dazu gehören Karten mit den Themen klima- und immissionsökologische Funktionen, Kaltluftvolumenstrom morgens oder Lufttemperatur morgens, mittags und abends.
In der Ergebniskarte der Klimaanalyse München wird vor allem auf die Kaltluftleitbahnen eingegangen, die für die Zufuhr von Kaltluft aus dem stadtnahen Umland sorgen. Diese verlaufen wie auch die Flächen mit Luftaustauschpotenzial entlang von Gleisflächen und entlang des Flusses Isar (GEO-NET 2014).
In den Karten wird deutlich, dass in der dicht bebauten Innenstadt von München an vielen Stellen die thermale und die lufthygienische Belastung schlecht ausgeglichen werden kann.

Diskussion

Durch den tieferen Einblick in die Klimaanalyse der Stadt München stellt sich die Frage, wie geeignet eine Modellierung verglichen mit anderen Methoden für eine Klimaanalyse ist. Denn für die Ermittlung des Klimas in einer Stadt wird heute viel mit automatischen Klimastationen gearbeitet. Die automatischen Klimastationen sind mit elektrischen Sensoren zur Messung der wichtigsten Klimaelemente ausgestattet. Die elektrischen Signale der Sensoren werden durch einen programmierbaren Spezial-Computer in digitale Klimawerte, wie beispielsweise Tempertaturen in K, umgewandelt und gespeichert. Die Klimastation kann nur unter bestimmten Voraussetzungen an die Umgebung aufgestellt werden, z.B. so, dass sich keine oberflächenspezifische interne Grenzschicht ausbilden kann. Außerdem muss die Klimastation auf ebener Fläche mit weitläufig homogenem Untergrund aufgestellt werden. Wenn sich Hindernisse wie Bäume oder Bauwerke in der Nähe des geplanten Messstandorts befinden, sind nach DIN VDI 1999 Mindestabstände einzuhalten. Es kann natürlich von den internationalen Normen abgewichen werden, wenn dies auch in den Ergebnissen klar geschildert wird.
Da diese Voraussetzungen an nur wenigen Orten in einer Stadt gegeben sind, können Klimastationen neben den Kostengründen und logistischen Gründen nicht in allen Stadtgebieten aufgestellt werden.
Somit können die erfassten Daten keine flächendeckende Aussage über das vorherrschende Klima in den verschiedenen Stadtgebieten geben. Darüber hinaus können eine falsche Messanordnung, Eichfehler oder Skalenfehler zu fehlerhaften Ergebnissen führen (BENDIX 2004). Um den klimatischen Zustand in den heterogenen Stadtstrukturen darzustellen, bieten sich daher Modelle an, die eine genaue Auflösung haben und eine Parametrisierung verwenden, die die Realität gut darstellen. Denn bei einer starken Vereinfachung durch eine Parametrisierung und eine zu grobe Auflösung, können wiederum Ungenauigkeiten und Unsicherheiten in den Ergebnissen auftreten. Auch das Modellierungsprogramm FITNAH weist mit der verwendeten Auflösung von 50 m und der Parametrisierung mit dem Porositätsansatz Ungenauigkeiten in den Karten von München auf (GEO-NET 2014). Vorteile von Modellen gegenüber Messungen bestehen darin, dass sie für die Darstellung von bestimmten Szenarien verwendet werden können. Mit dem Modellierungsprogramm SOLWEIG kann ein Szenario erstellt werden, das das Klima eines Standortes ohne Baumbestand modelliert (URBAN CLIMATE GROUP 2015). Damit können dann aus den Ergebnissen der Modellierungen vorsorgende Schritte eingeleitet werden, um ein angenehmes Klima zu erhalten. Wenn beispielsweise eine Baumfällung bevorsteht und damit die Schattenwirkung des Baumes wegfällt, könnte alternativ eine Markise für die Beschattung angebracht werden.

Schlussfolgerungen

Mit der Modellierung mit FITNAH ist es gelungen, die unterschiedlichen Teilflächen der Stadt München nach ihren klimatischen Funktionen abzugrenzen und damit wichtige Raumstrukturen herauszuarbeiten, die in Karten dargestellt werden.
Damit bietet die Stadtklimaanalyse München mit den Bewertungskarten und der Klimafunktionskarte einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des gesetzten Ziels, die negativen stadtklimatischen Effekte wie den Hitzestress und die lufthygienische Belastung zu verringern. Mit Hilfe der Karten werden die klimatischen Aussagen auf Ebene der Flächennutzungsplanung zur Verfügung gestellt und können für die räumliche Planung genutzt werden, denn sie liefern beispielsweise Informationen über die Stadtgebiete, die eine dichte Bebauung und einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen und Informationen über die Stadtgebiete, die Kaltluftentstehungsflächen und Kaltluftleitbahnen beinhalten. Diese Informationen können zum Beispiel für eine Abwägung bei Bebauungen oder der Weiterentwicklung von klimarelevanten Freiflächen herangezogen werden. Um demnach die Stadtgebiete, die einen positiven Beitrag für das Stadtklima leisten, zu erhalten, müssen diese bei einer Neubebauung frei gehalten werden.
Mit der Klimafunktionskarte wird zudem deutlich, dass viele dicht bebaute Bereiche, die sich in München im Zentrum konzentrieren, gar nicht positiv von den Kaltluftbahnen beeinflusst werden können, da sie von den Kaltluftbahnen und dem Luftaustauschgeschehen abgeschottet sind. Diese Flächen müssen hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit und der lufthygienischen Qualität durch die Stadtplanung gefördert werden. Bei modellgestützten Klimaanalysen im generellen kommt es auf das verwendete Modell an, wie aussagekräftig die resultierenden Ergebnisse sind. Das heißt, wie genau die Auflösung des Rasters vom genutzten Modell ist, beziehungsweise in welcher Form die Parametrisierung vorgenommen wurde. Die verwendete Auflösung des Rasters bei einem Modell hängt immer von der Fragestellung der Analyse ab. Die Verwendung von Modellen bietet sich für großflächigere Klimauntersuchungen an, im Gegensatz zu Messungen mit Klimastationen, die nur kleinflächige Aussagen über das Klima geben.
Bezogen auf die Stadtklimaanalyse München können die hervorgegangenen Ergebnisse aussagekräftige Informationen über die klimatischen Verhältnisse der Stadt München gegeben, die damit eine nachhaltige Stadtplanung voranbringen können, um in Zukunft ein günstiges Stadtklima, vor dem Hintergrund des Klimawandels, zu erhalten und zu erschaffen.

Literaturverzeichnis

BENDIX, J., 2004: Geländeklimatologie. Gebrüder Borntraeger Verlagsbuchhandlung: Mörlenbach, 105 S.

BÖHME, C., KLIEMKE, C., REIMANN, B. & SÜß, W., 2012: Stadtplanung und Gesundheit. 1. Aufl., Hans Huber: Bern, 246 S.

CHING, J., MILLS, G., FEDEMA, J., OLESON, K., SEE, L., STEWARTS, I., BECHTEL, B., CHEN, F., NEOPHYTOU, M., HANNA, A., 2014: Facilitating advanced urban canopy modeling for weather, climate and air quality applicaitions. American Meteorological Society Symphosium on Urban Environment, Atlanta Georgia.

GEO-NET(Hrsg.), 2014: Bericht zur Stadtklimaanalyse der LHM. Online in Internet: URL: http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Stadtklima/Stadtklimaanalyse.html [Stand 30.10.2015].

LANG, S., 2009: Einführung in die numerische Simulation. Online in Internet: URL: http://conan.iwr.uni-heidelberg.de/teaching/simwer_ss2009/Kapitel1.pdf [Stand 18.11.2015].

OSTERAUER, B., 2014: Stadtklimaanalyse mittels numerischer Simulation als Fachbeitrag zum Flächennutzungsplan der Stadt Trier. Online in Internet: URL: http://www.klima.tu-berlin.de/dokuwiki/doku.php?id=wiki:stadtklimaanalyse_trier#modellierung_des_stadtklimas_mithilfe_des_stroemungsmodells_fitnah [Stand 19.11.2015].

SCHÖNWIESE, C., 2013: Klimatologie. 4. Aufl., Eugen Ulmer: Stuttgart, 489 S.

SENSTADTUM(Hrsg.), o.A: Das mesoskalige Simulationsmodell FITNAH. Online in Internet: URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/download/FITNAH_Modellanwendung.pdf [Stand 29.10.2015].

URBAN CLIMATE GROUP (Hrsg.), 2015: Solweig – A climate design tool. User manual for version 2015a. University of Gothenburg, Göteburg, 21 S.


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