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Auswirkungen von Lufttemperatur und Oberflächeneigenschaften auf die städtische Wärmeinsel und Ozonkonzentration der Stadt Chicago

ausgearbeitet von Anjes Bloch

Einleitung

Städte sind durch eine verdichtete Gebäudestruktur, einen hohen Versiegelungsgrad und anthropogene Wärmequellen vom Umland zu unterscheiden. Diese urbanen Eigenschaften haben thermische Auswirkungen, welche zusammen mit der erhöhten Wärmespeicherung in den Gebäuden primär in der Nacht zu einem Anstieg der Lufttemperatur führen. Geringe Turbulenzen führen darüber hinaus zur Aufstauung der Luftmassen und Ansammlung thermischer Emissionen (u.a. Industrie, Verkehr, Gebäudeklimatisierung) (KUTTLER 2004). Eine hohe Strahlungswärme der Sonne und Lufttemperatur, geringe Windstärke und hohe Luftfeuchte beeinflussen durch den entstehenden Hitzestress das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen (Herz-Kreislauf-Probleme). Neben den thermischen Wirkungen können chemische, durch die Anreicherung fremder Luftstoffe in der Atemluft, Luftschadstoffe, entstehen. Durch eine hohe Konzentration der Luftschadstoffe und eine geringe Zirkulation der Luft können Atemwegs- und Kreislauferkrankungen beim Menschen hervorgerufen werden (HELLBRÜCK & KALS 2012).
Durch die zunehmenden Hitzetage (>32°C) und dem Auftreten der städtischen Wärmeinsel steigt die Wärmebelastung in Städten (LECONTE et al.). Die erhöhte UV-Strahlung kann durch die Reaktion mit flüchtigen organischen Stoffen (VOCs), Stickoxiden (NOx) und Kohlenmonoxiden (CO) zur Bildung von Ozon führen (HÄCKEL 2012; JING et al. 2014).

<m 16>CO + 2 O_2 right CO_2 + O_3</m> (1)

Ozon bildet eine Hauptkomponente für den photochemischen Smog.
Dieser bildet sich in Chicago in den Sommermonaten im Zusammenhang mit dem Auftreten der städtischen Wärmeinsel und in Bezug auf Gebäudestrukturen und Oberflächenbedeckungen (GRAY & FINSTER 1999). Um die städtische Wärmeinsel, wie auch die Ozonkonzentration in der Luft zu vermindern, werden Mitigationsstrategien gesucht, wie die Anpflanzung von Vegetation, die Erhöhung der Albedo der Gebäudedächer und die Verwendung alternativer Materialien für die Straßenbedeckung. Grundlegend hierfür werden Ozonkonzentrationen und damit mögliche korrelierende Komponenten, wie die Lufttemperatur, untersucht (JASAITIS et al. 2016; LEVIN et al. 2009; SYNNEFA et al. 2005).

Im Folgenden möchte ich den Einfluss urbaner Landbedeckungen wie Vegetation, helle Dachbedeckungen und Straßenbedeckungen auf die städtische Wärmeinsel und damit den Ozongehalt im Stadtraum Chicago beispielhaft erläutern (GRAY & FINSTER 1999; COSEO & LARSEN 2014; JING et al. 2014)

Daten, Methode und Ergebnisse

Chicago liegt im Bundesstaat Illinois in den USA, 41°52‘55‘‘ nördlicher Breite und 87°37‘40‘‘ westlicher Länge und grenzt im Südwesten an den Michigan-See. In der Stadt leben 2,695,598 Einwohner bei einer Einwohnerdichte von 45.7 Einwohner pro Hektar (Stand 2010) (COSEO & LARSEN 2014).

Abb. 1 – Stadtgebiet Chicago (verändert nach OPENSTREETMAP o.J.).

Mittels digitaler Gebietsfotografien und Bildbearbeitungssoftware (Adobe Photoshop 4.0) werden die urbanen Landoberflächen Vegetation, Straßen- und Dachbedeckungen des Stadtgebietes Chicagos erfasst und mit einer Bildanalyse-Software (Scion Corporation, Frederick, MD) klassifiziert (GRAY & FINSTER 1999).
Die Landoberfläche des Stadtgebiets besteht aus 39.14 % Vegetation, 31 % gepflasterter und 27 % überdachter Fläche, wobei von letzterem 9.7 % hell sind und somit eine höhere Albedo aufweisen. Vegetation bildet einen kühlenden Effekt, durch Schattenwurf, Absorption der Solarstrahlung und Evapotranspiration, auf die Lufttemperatur aus.
Der Albedowert von Bäumen liegt bei 0.15–0.18 und der von Gras bei 0.25–0.3.
Andererseits können von der Vegetation freigesetzte VOCs zur Ozonbildung beitragen. In Chicago werden VOCs primär durch den Verkehr (42.9 %) gebildet, sekundär durch Vegetation (17.7 %). Straßenbedeckungen können in der Stadt aus verschiedenen Materialien bestehen. Größtenteils ist Asphalt vorzufinden. Dieser weist einen Albedowert von 0.05–0.2 auf. Beton ist ein geringerer Wärmespeicher als Asphalt mit einem Albedowert von 0.1–0.35. Mit Hilfe einer Life-Cycle-Analyse kann festgestellt werden, dass Beton 47.6 % effizienter ist als Asphalt.
Überdachte Oberflächen sind hell und dunkel vorzufinden. Helle Dachoberflächen reflektieren in einem hohen Maß die direkte Sonneneinstrahlung (Albedowert 0.5–0.9), dunkle absorbieren die Einstrahlung und speichern sie in Form von Wärme über einen längeren Zeitraum (Albedowert 0.1–0.35) (EPA 1992; GRAY & FINSTER 1999).

In einem weiteren Schritt werden die Komponenten Vegetation, gepflasterte und überdachte Oberflächen in verschiedenen Landnutzungskategorien für 14 repräsentativ gewählte Sektoren untersucht. Die Landnutzungskategorien sind hier: Wohngebiete, Gewerbe, Erholung, Industrie und Verkehr. Der höchste Anteil an Vegetationsoberfläche kann in den Wohngebieten mit 70.51 % nachgewiesen werden, wohingegen im suburbanen Gewerbegebiet diese mit 12.15 % einen vergleichsweise geringen Anteil ausmacht. Die überdachten Oberflächen sind in Industriegebieten mit 42.05 % am häufigsten vorzufinden, in suburbanen kommerziellen Bereichen ist jedoch der Anteil an Dachoberflächen mit hoher Albedo mit 89.75 % bei einem Dachanteil von 26.24 % am höchsten. Gepflasterte Oberflächen kommen mit 61.61 % nach dem Transportbereich in suburbanen kommerziellen Bereichen am zweithöchsten vor. Untersucht man den Anteil der urbanen Landbedeckung an der städtischen Wärmeinsel wird festgestellt, dass der Effekt der städtischen Wärmeinsel nachts größer ist als am Tage. Um 2 Uhr nachts führt ein zehnprozentiger Anteil an baumbedeckten Oberflächen zu einer Senkung der Lufttemperaturen um 0.72 °C. Bei dicht versiegelten Oberflächen führen jede zehn Prozent zu einer Erhöhung der Lufttemperatur um 0.82 °C und bei Dächern um 0.47 °C. Tagsüber ist dieser Trend nicht so stark ausgeprägt.
Vom 1.7.–31.8.2010 werden Daten anhand von mobilen Wetterstationen, welche in drei Meter Höhe fünfminütlich Lufttemperatur und -feuchte messen, erhoben. Eine stationäre Station am Midway Flughafen misst stündlich neben der Lufttemperatur und -feuchte die Windgeschwindigkeit und -richtung wie die Himmelsverhältnisse (COSEO & LARSEN 2014).
Dass höhere Lufttemperaturen im Sommer gleichzeitig eine hohe Ozonkonzentration mit sich bringen können, kann durch eine Korrelationsanalyse festgestellt werden. Hierbei werden verschiedene meteorologische Komponenten dem Auftreten von hohen Ozonwerten (>75ppb über acht Stunden) gegenübergestellt. Die höchste Korrelation wird bei der maximalen Tageslufttemperatur ermittelt (R²= 0.41). Es wird ebenfalls festgestellt, dass die Jahre, im Zeitraum 2009–2013 zwischen Mai und August, mit hoher Anzahl an Tagen mit hohen O3 –Konzentrationen (>75ppb), die mit vielen Hitzetagen sind. So kommt es im Jahr 2012 zu 40 Hitzetagen und 33 Tagen mit hohen Ozonwerten und 2008 zu 3 Hitzetagen und 1 Tag mit hohen Ozonwerten (JING et al. 2014).
Bei Messungen der Lufttemperatur und Ozonkonzentrationen in Chicago im Zeitraum 1992–1996 in den Monaten April–Oktober mithilfe von 13 Messstationen werden hohe Ozonwerte bei sowohl niedrigen als auch hohen Lufttemperaturen gemessen (GRAY & FINSTER 1999).

Abb. 2 – Ozonkonzentration und Lufttemperatur in drei ausgewählten Orten in Chicago, von links nach rechts weiter zum Stadtzentrum gelegen, Sommertag 1992
(eigene Abbildung nach GRAY & FINSTER 1999).

Durch Abbildung 2 wird die zunehmende Lufttemperatur in Richtung Stadtzentrum ersichtlich. Die Ozonkonzentration ist ebenfalls nahe des Stadtzentrums am höchsten, verringert sich jedoch mit zunehmender Entfernung nicht kontinuierlich.

Diskussion

Über den gesamten Messzeitraum 1992-1996 werden die höchsten Ozonwerte im Bereich von Evanston gemessen. Wie schon zuvor in Abbildung 2 dargestellt befinden sich hier keine hohen Lufttemperaturen, wobei der Michigan See eine kühlende Masse darstellt. Dies widerspricht demnach der Annahme, dass hohe Lufttemperaturen hohe Ozonwerte mit sich führen.
Wird der Standort näher betrachtet, könnte auch eine sich in Evanston befindende Trinkwasserfilteranlage eine potentielle Quelle für Ozon bilden. Hierbei werden aus dem Wasser des Michigan-Sees mithilfe von Ozon organische Stoffe, Eisen- und Manganverbindungen herausoxidiert, um Trinkwasser zu erzeugen. Reststoffe sind bei diesem Vorgang Sauerstoff und Ozon (POHLING 2015; HENDRICKS 2006; CITY OF EVANSTON 2015). Eine von der EPA vorgenommene Messung der Ozonwerte im Jahr 1991 zeigt eine hohe Ozonkonzentration in Evanston, wie weiter südlich und nördlich von Chicago. Im Jahr 1999 besaß Chicago drei Wasserreinigungsanlagen entlang dieser Standorte, wovon zwei die größten der Welt darstellten (KENDALL 1999).

Es könnte sich also um einen Messfehler handeln, wobei es fraglich ist, Ozonmessstationen in der unmittelbaren Nähe von Wasserfilteranlagen aufzustellen und in der Auswertung der Ozongehalte der Stadt zu benutzen. Dementsprechend wird das Stadtzentrum in den Hintergrund gestellt, da die Werte hier vergleichsweise zu den hohen Werten in Evanston gering erscheinen. Um die Ozonkonzentration in der Stadt zu senken, ist es schwer mit diesen erhobenen Daten geeignete Strategien zu finden. Es müsste kleinräumig die Ozonkonzentration und deren Quellen betrachtet werden. Die Maßnahmen müssten sich dann nach diesen Gegebenheiten richten. Hierbei ist es wichtig die Vorprodukte des Ozons zu messen und deren Quellen zu identifizieren. Vegetationspflanzungen können einerseits durch den kühlenden Effekt die Lufttemperatur senken, jedoch gleichzeitig durch die produzierten VOCs die Ozonkonzentration ansteigen lassen. In Bereichen mit hoher Ozonbelastung oder hohen Konzentrationen der Vorprodukte (Stickoxide, VOCs), wie in der Industrie, wäre demnach eine Maßnahme, helle Dächer zur Steigung der Reflektion umzusetzen, geeignet, um die Lufttemperatur zu senken und somit eventuell den Ozongehalt (JING et al. 2014; COSEO & LARSEN 2014).

Schlussfolgerungen

Am Fallbeispiel Chicago kann aufgezeigt werden, dass die urbane Landbedeckung durch verschiedene Oberflächenformen, mit Einfluss auf die Lufttemperatur, gezeichnet ist. Ein direkter Zusammenhang der Ozonkonzentration in der Luft und der städtischen Wärmeinsel konnte durch Messungen im Zeitraum 1992–1999 aufgrund unzureichender Informationen nicht aufgezeigt werden. Dass hohe Ozonwerte in Zusammenhang mit hohen Lufttemperaturen stehen, konnte hierbei nur an einer Messstation (Evanston) festgestellt werden. Andere Messreihen von 2005–2013 errechneten eine Korrelation von R²=0.41 (JING et al. 2014).
Weiterhin sind durch die Lage Chicagos am Michigan-See Gegebenheiten vorliegend, welche in einer Stadt im Landesinneren ohne Gewässernähe nicht zutreffen würden.
Der Michigan-See bildet ein Land-See-Wind-System aus, welches die Verteilung der städtischen Wärmeinsel beeinflusst, und bestimmt durch die kühlende Wirkung vor allem im Sommer die lokale Luftzusammensetzung Chicagos.
Abschließend können Handlungsstrategien zur Senkung der Lufttemperatur und Ausprägung der städtischen Wärmeinsel in den einzelnen Stadtkategorien anhand des Anteils an vegetationsbedeckter, überdachter und gepflasterter Oberflächen abgeleitet werden. Die Luftqualität und der Anteil an Ozon können jedoch nicht direkt damit in Verbindung gesetzt werden. Hierzu sind weitere Messungen und Auswertungen an repräsentativen Orten nötig und die Einbindung und das Aufzeigen weiterer Faktoren, wie die Quellen des Ozons und dessen Vorprodukte.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 – Stadtgebiet Chicago (verändert nach OPENSTREETMAP (http://www.openstreetmap.org/search?query=chicago#map=10/41.8143/-87.9806&layers=H [Stand 28.04.16 15:00]).

Abbildung 2 – Ozonkonzentration und Lufttemperatur in drei ausgewählten Orten in Chicago, von links nach rechts weiter zum Stadtzentrum gelegen, Sommertag 1992 (eigene Abbildung nach GRAY & FINSTER 1999 (2016)).

Literaturverzeichnis

CHICAGO TRIBUNE, KENDALL, P. (Hrsg.), 1999: Lake Michigan Water May Get Flavor Boost From Ozone Online in Internet: URL: http://articles.chicagotribune.com/1999-06-25/news/9906250245_1_zebra-mussels-drinking-water-ozone [Stand 21.11.2015].

CITY OF EVANSTON (Hrsg.): Water division, Filtration Online in Internet: URL: http://www.cityofevanston.org/utilities/water-division/filtration/ [Stand 7.11.2015]

COSEO, P., LARSEN, L., 2014: How factors of land use/land cover, building configuration, and adjacent heat sources and sinks explain Urban Heat Islands in Chicago. Elsevier, Landscape and Urban Planning: 125.

EPA, 1992: Cooling Our Communities.

EPA, 1996: Air Quality Criteria for Ozone and Related Photochemical Oxidants. Vol. 1 of 3.

GRAY, K. A., FINSTER, M. E. 1999: The Urban Heat Island, Photochemical Smog, and Chicago: Local Features of the Problem and Solution. Evanston, IL: Northwestern University.

HÄCKEL, H., 2012: Meteorologie., Vol. 7, Ulmer: Stuttgart, 30–36 S.

HELLBRÜCK, J., KALS, E. 2012: Umweltpsychologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 55–56 S.

HENDRICKS, D. 2006: Treatment Unit Processes, Physical and Chemical. Tylor & Francis Group, 1043–1044 S.

JASAITIS, D., VASILIAUSKIENE, V., CHADYSIENE, R., PECIULIENE, M. 2016: Surface Ozone Concentration and Its Relationship with UV Radiation, Meteorological Parameters and Radon on the Eastern Coast of the Baltic Sea. Atmosphere, 7(2), 27 S.

NOYES, P.D., MCELWEE, M.K., MILLER, H.D., CLARK, B.W., VAN TIEM, L.A., WALCOTT, K.C., ERWIN, K.N. and LEVIN, E.D., 2009. The toxicology of climate change: environmental contaminants in a warming world. Environment international, 35(6), 971-986 S.

JING, P., LU, Z., XING, J., STREETS, D. G., TAN, Q., O'BRIEN, T., & KAMBEROS, J. 2014: Response of the summertime ground-level ozone trend in the Chicago area to emission controls and temperature changes, 2005–2013. Atmospheric Environment, 99, 630-640 S.

POHLING, R. 2015: Chemische Reaktionen in der Wasseranalyse. Springer: Berlin-Heidelberg, 223–224 S.

SYNNEFA, A., SANTAMOURIS, M., LIVADA, I. 2005: A study of the thermal performance of reflective coatings for the urban environment. Solar Energy, 81, 488–497 S.


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