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Der Einfluss von Vegetation auf die räumliche und zeitliche Variabilität des Humanbioklimas am Beispiel eines Innenhofs einer Kindertagesstätte in Berlin

ausgearbeitet von Anna Ackermann, Simone Fischer, Marlene Woik

Abstract

Im vorliegenden Artikel wird untersucht, wie sich Vegetation mikroklimatisch auf die humanbioklimatischen Bedingungen in der Stadt auswirkt. Das vermehrte Auftreten von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch die Erhöhung der mittleren globalen Lufttemperatur verlangt nach Untersuchungen zum Humanbioklima, um Klimaanpassungsstrategien entwickeln zu können. Die Messungen und deren Auswertung auf dem Innenhof einer Kindertagesstätte in Berlin zielen darauf ab, die für Hitzestress besonders vulnerable Gruppe der Kleinkinder näher ins Blickfeld der Stadtplaner_Innen zu rücken. Mit dem Predicted Mean Vote (PMV) wird ein vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) empfohlener Indikator genutzt, um Aussagen zu den humanbioklimatischen Belastungen zu treffen. Der Vergleich der gemessenen Klimafaktoren eines sonnenexponierten Standorts auf der Terrasse des Hofes mit einem baumbeschatteten Standort im Hofgarten, belegt den positiven Effekt von Baumvegetation auf das Mikroklima. Gestützt werden die Ergebnisse durch Szenarien, die mit dem Programm SOLWEIG modelliert werden. Es wird darüber hinaus gezeigt, dass die Oberflächentemperatur mit der Vegetation und dem PMV in Zusammenhang steht.

Einleitung und Motivation

Thermische Belastungen für den Menschen werden im Zuge der Erhöhung der mittleren globalen Lufttemperatur zunehmen (HUPFER & KUTTLER 2006). Bereits heute sind während langer Hitzeperioden erhöhte Raten an Atemwegs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen festzustellen. Betroffen von thermischen Belastungen sind besonders alte Menschen und Kinder (u.a. EEA 2008). Mit den Wirkungen von Wetter, Witterung, Klima und Lufthygiene auf den menschlichen Organismus beschäftigt sich der Forschungsbereich des Humanbioklimas (VDI 1998).
In Städten kann das lokale Stadtklima gerade im Sommer übergeordnete Wärmebelastungen verstärken und durch erhöhten Hitzestress gesundheitliche Risiken hervorrufen. Charakteristisch für Städte ist der Lufttemperaturgradient zwischen Stadtzentrum und dem kühleren Umland, sodass sich der Begriff städtische Wärmeinsel (engl. Urban Heat Island = UHI) etabliert hat. Es handelt sich hierbei um einen mesoklimatischen Effekt, der unter anderem durch die dichte Gebäudebebauung, deren Materialeigenschaften und die hohe Versiegelungsrate in der Stadt verursacht wird. Geprägt wird die UHI außerdem durch anthropogene Wärmefreisetzung (DWD o. J.).
Auch in Deutschlands Hauptstadt Berlin lassen sich der UHI-Effekt und die mit ihm verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit feststellen (FENNER et al. 2014). Nach SCHERER et al. (2014) waren zwischen 2001 und 2010 ca. 5 % aller Todesfälle in Berlin auf erhöhte Lufttemperaturen zurückzuführen. Besonders betroffen waren dabei ältere Personen mit einem Alter ab 65 Jahren.
Diese Studie untersucht am Beispiel des Innenhofs einer Kindertagesstätte im Berliner Brunnenviertel, inwieweit Baumvegetation mikroklimatisch auf die räumliche und zeitliche Variabilität humanbioklimatischer Faktoren Einfluss nimmt. Speziell Kinder reagieren sensibel auf thermische Belastung (HÜBLER 2008).
Im Folgenden wird geprüft,

  1. ob Baumvegetation die thermische Behaglichkeit im Vergleich zu einem sonnenexponierteren Standort beeinflusst (Hypothese 1: Einfluss der Baumvegetation) und
  2. ob die Oberflächentemperatur mit der Vegetation und dem PMV in Zusammenhang stehen (Hypothese 2: Oberflächentemperatur).

Die Ergebnisse können Stadt- und Regionalplaner_Innen bei der Entscheidung unterstützen, Stadtbegrünung anzulegen oder anderweitige Schutzmaßnahmen gegen Hitzestress, gerade im Zuge des Klimawandels, zu planen.

Methode

Abb. 1 – Lage des Untersuchungsgebiets (rote Linie) in der Nachbarschaft. T_1 = Standort Terrasse_1, T_2 = Standort Terrasse_2, G = Standort Garten (Google Maps 2016).

Die Messungen wurden zwischen dem 17. und 22. Juli 2015 in Deutschlands Hauptstadt Berlin vorgenommen. Berlin liegt im Osten Deutschlands und ist mit etwa 3,5 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt des Landes (STATISTISCHES BUNDESAMT 2016). Die langjährigen Mitteltemperaturen der Stadt bewegen sich zwischen 7,0 °C (Umland, bewaldete Gebiete) und 10,5 °C (Innenstadt) (SENSTADTUM 2001). Die Niederschlagsmenge beträgt durchschnittlich 589,2 mm/a (WEGENER 2007). Im Juli 2015 war das Wetter in ganz Deutschland von einer Hitzewelle geprägt (DWD 2015a). Berlin verzeichnete 2015 mit 10,9 °C eine im Vergleich zu anderen Jahren hohe Jahresdurchschnittstemperatur (DWD 2016).
Um Informationen zur übergeordneten Wetterlage für den untersuchten Zeitraum zu erhalten, werden Daten einer Referenz-Messstation der Technischen Universität (TU) Berlin-Charlottenburg verwendet. Diese im folgenden “TU Dach” genannte Station befindet sich auf dem Dach des Hauptgebäudes der TU in einer Höhe von 57 m ü. NN und misst in verschiedenen Höhen Temperatur-, Feuchte- und Strahlungsgrößen sowie Wind. Durch den Dachstandort sind die Messungen unbeeinflusst von möglichen Schattenwürfen umgebender Objekte. Lufttemperatur und relative Luftfeuchte werden über einen CS215-Sensor erfasst. Die Globalstrahlung wird über einen CNR4-Sensor und die Windrichtung und -geschwindigkeit über einen IRGASON-Sensor gemessen. Die Verläufe der Lufttemperatur, der relativen Luftfeuchte, der kurzwelligen Einstrahlung und der Windgeschwindigkeit werden über den gesamten Untersuchungszeitraum dargestellt. Sie sind wichtige Faktoren für die thermische Behaglichkeit.
Das Untersuchungsgebiet im Wohnquartier Brunnenviertel liegt im Bezirk Berlin-Mitte in der Ramlerstraße (s. Abb. 1); ein Gebiet, das vor allem durch Wohnnutzung geprägt ist (UMWELTATLAS BERLIN 2015).
Die klimatologischen Messungen wurden auf dem Innenhof einer Kindertagesstätte vorgenommen. Dieser besteht aus einer Terrasse mit teils begrünter, teils gekachelter Fläche und einem Garten. Die verwendete Messstation ist die von der TU Berlin zur Verfügung gestellte BioMet-Station (s. Abb. 2). Der erste Standort, der im folgenden Terrasse_1 genannt wird, zeichnet sich durch Grasbewuchs aus. Der unbegrünte Standort, Terrasse_2 genannt, ist mit Fliesen gekachelt. Beide Terrassenstandorte sind geprägt durch direkte Sonneneinstrahlung (s. Abb. 9). Die Terrasse grenzt südlich an den weiteren Standort Garten. Die BioMet-Station am Standort Garten wird ca. 7 m zu den Gebäuden entfernt aufgestellt. Der Standort Garten ist durch Bäume mit dichtem Kronendach sonnengeschützt. Unter den Strahlungssensoren befand sich zum Zeitpunkt der Messung ein leicht feuchter, dunkler Sandboden.

 

Abb. 2 – Standorte v. l. n. r. Terrasse_1, Terrasse_2, Garten mit automatischer Wetterstation (BioMet-Station) zur Ableitung humanbiometeorologisch relevanter Größen (eigene Darstellung).

Die BioMet-Station erfasst meteorologische Daten vom 16.07.2015 bis zum 22.07.2015 hintereinander an drei Standorten. Alle Zeitangaben in dieser Studie sind in UTC+1 angegeben. Tabelle 1 zeigt die Messzeiträume an den einzelnen Standorten.

Tab. 1 – Messzeiträume an den einzelnen Standorten (eigene Darstellung).

Standort Messung Beginn Messung Ende
Terrasse_116.07.15, 13:54 Uhr 17.07.15, 15:03 Uhr
Terrasse_217.07.15, 15:04 Uhr 20.07.15, 08:26 Uhr
Garten 20.07.15, 09:31 Uhr 22.07.15, 15:02 Uhr


Die Nord-Süd ausgerichtete BioMet-Station misst über CNR4-Strahlungssensoren die kurz- und langwelligen Strahlungsflüsse aus den Richtungen Nord, Ost, Süd und West sowie von oben und unten. Das 3D-Ultraschallanemometer liefert Daten zur Windgeschwindigkeit und -richtung. Temperatur und Luftfeuchte werden über das kombinierte Temperatur- und Feuchte-Messgerät CS215 gemessen. Über ein Globe-Thermometer kann die mittlere Strahlungstemperatur berechnet werden.
Die durch die Messungen gewonnene Datenreihe wird im Statistikprogramm RStudio eingelesen, verarbeitet und ausgegeben. Fehlerwerte werden zunächst ermittelt und entfernt. Die Datenreihe wird auf die Messzeiträume der drei Standorte geschnitten. Um die genaue Uhrzeit der Standortänderung auf der Terrasse herauszufinden, wird auf auffällige Fehlerwerte und nicht vorhandene Werte geachtet.
Durch die Messergebnisse können Rückschlüsse auf den Einfluss von Baumvegetation auf humanbioklimatische Belastungen gezogen werden. Diese werden in Wirkungskomplexe unterteilt. In vorliegender Studie wird der thermische Wirkungskomplex betrachtet, der alle den Wärmehaushalt eines Menschen beeinflussenden meteorologischen Parameter enthält. Zur Beurteilung der thermischen Behaglichkeit wird die skalierte Bewertungsgröße Predicted Mean Vote (PMV) verwendet. Sie wird von der modifizierten Behaglichkeitsgleichung nach FANGER (1972) abgeleitet und wird neben weiteren Modellen von der VDI-Richtlinie 3787 (1998) empfohlen.
Die Berechnung der PMV-Werte erfolgt nach DIN EN ISO 7730 2006. Hierfür werden meteorologische Daten aus den BioMet-Messungen, ein Kleidungsfaktor für die Wärmedämmung durch Bekleidung und ein Metabolismusfaktor für die Aktivität des Menschen benötigt. Somit wird aus dem gesamten Wärmehaushalt des menschlichen Körpers der PMV ermittelt (VDI 1998). Die relevanten BioMet-Daten für den PMV sind die Strahlungsflüsse aus allen Richtungen, die relative Luftfeuchtigkeit, die Lufttemperatur und die Windgeschwindigkeit. Der verwendete Kleidungsfaktor von 0,6 entspricht leichter Sommerkleidung, der Metabolismusfaktor 2 einer langsam laufenden Person (ebd.). Da sich die verschiedenen Personen in der Kita in unterschiedlichen Bewegungszuständen befinden, wird ein Metabolismusfaktor von 2 verwendet.
Die PMV-Werte werden auf die erste Nachkommastelle gerundet. Hohe PMV-Werte (> 3) weisen auf eine starke Wärmebelastung hin, niedrige PMV-Werte (< –3) bedeuten einen hohen Kältestress (s. Tab. 1). Zunächst werden die PMV-Werte zwischen 14 und 15 Uhr an den drei Standorten an den jeweils autochthonsten Tagen nach Beurteilung der Mesoskala betrachtet und miteinander verglichen (Standort Terrasse_1: 17.07., Standort Terrasse_2: 18.07., Standort Garten 21.07.). Da nicht von allen Standorten Daten für komplette Tagesverläufe vorhanden sind, wird zur Auswahl der Tage neben der Beurteilung der Mesoskala auch auf die vorhandenen Datengrundlagen geachtet.
Weiterhin werden die Tagesgänge der PMV-Werte der Standorte betrachtet. Um aussagekräftige PMV-Werte zu erhalten, werden die aufgezeichneten minütlichen Daten auf Stundenwerte aggregiert. Auch hier werden die Tagesgänge (6 – 6 Uhr) gewählt, die eine autochthonere übergeordnete Wetterlage vorweisen (s. o.). Da für Terrasse_1 kein kompletter Tagesgang gemessen wurde, wird dieser Standort in die Ergebnisse nicht miteinbezogen.

Tab. 2 – Bewertungstabelle PMV, thermisches Empfinden und Belastungsstufen (HORBERT 2000).

PMV Thermisches Empfinden Belastungsstufe
–3 kalt starker Kältestress
–2 kühl mäßiger Kältestress
–1 leicht kühl schwacher Kältestress
0 behaglich keine Belastung
1 leicht warm schwache Wärmebelastung
2 warm mäßige Wärmebelastung
3 heiß starke Wärmebelastung


Um den Einfluss der Baumvegetation auf die thermische Behaglichkeit zu untersuchen, werden neben der Analyse des ermittelten PMV auch Klimamodellierungen mit dem Programm Solar LongWave Environmental Irrandiance Geometry (SOLWEIG) in der Version 2015a erstellt. SOLWEIG simuliert räumliche Unterschiede von Strahlungsflüssen und der mittleren Strahlungstemperatur (URBAN CLIMATE GROUP 2015). So ist es möglich, neben einer Modellierung des Ist-Zustandes auch ein Szenario ohne Baumbestand an den Standorten Terrasse_2 und Garten zu untersuchen.
Es ergeben sich vier Modellierungen:

  1. Ist-Zustand an Standort Terrasse_2 (17.07. – 20.07.)
  2. Ist-Zustand an Standort Garten (20.07. – 22.07.)
  3. Szenario ohne Baumbestand an Standort Terrasse_2 (17.07. – 20.07.)
  4. Szenario ohne Baumbestand an Standort Garten (20.07. – 22.07.).

Zur Validierung des Programms werden mit SOLWEIG die Ist-Zustände simuliert und mit den gemessenen Daten der BioMet-Station verglichen. Die verwendete Gitterauflösung in SOLWEIG beträgt 1 m x 1 m, die Flächengröße der Domäne 180 m x 115 m. Die Domäne umfasst das Untersuchungsgebiet und die umliegenden Gebäude, die einen möglichen Einfluss durch Schattenwurf haben. Es werden die Personenparameter Absorption (kurzwellig) auf 0,70, Absorption (langwellig) auf 0,95 und die Körperhaltung auf “Stehen” eingestellt, die urbanen Parameter Albedo (Wände und Boden) auf 0,20, die Emissivität (Wände) auf 0,90, die Emissivität (Boden) auf 0,95 und die Transmissivität (Vegetation) auf 0,02.
Als meteorologische Eingangsdaten werden die Messungen des TU Dach für den jeweils zu simulierenden Zeitraum herangezogen. Es fließen die Windgeschwindigkeit, die relative Luftfeuchtigkeit, die Lufttemperatur, die Globalstrahlung, die langwellige Einstrahlung und die Windrichtung in stündlicher Auflösung in die Modellierung ein. Weitere verwendete Eingangsdaten für SOLWEIG sind in Tab. 2 aufgelistet.

Tab. 3 – Statische Eingangsdaten für die SOLWEIG-Modellkonfiguration (eigene Darstellung).

Digitales Gebäudemodell 1 m Rasterdaten (erstellt aus Vektordaten von SENSTADTUM, 2009)
Digitales Vegetationsmodell 1 m Rasterdaten (erstellt aus Vektordaten von SENSTADTUM, 2009)
Stammhöhe der Vegetation 0,25 m
Sky View Factor (Himmelssichtfaktor) In SOLWEIG berechnet


Für alle Modellierungen wird jeweils ein “Point of Interest” an den Standorten Terrasse_2 und Garten der BioMet-Station gesetzt. Die berechneten meteorologischen Daten aus SOLWEIG werden in RStudio eingelesen; anschließend wird der PMV berechnet. Da die SOLWEIG-Ausgabe keine Daten zur Windgeschwindigkeit bereitstellt, werden diese von der BioMet-Station herangezogen.
Um herauszufinden, ob die Oberflächentemperatur mit der vorhandenen Vegetation und dem PMV in Zusammenhang steht, werden die stündlich aggregierten Werte der kurzwelligen Einstrahlung und der Oberflächentemperatur der Standorte Terrasse_2 und Garten analysiert. Die Oberflächentemperatur wird näherungsweise mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz über die langwellige Ausstrahlung ermittelt, die die BioMet-Station gemessen hat (HUPFER & KUTTLER 2006). Es wird im Speziellen betrachtet, wie sich die Oberflächentemperaturen nachts (22 – 5 Uhr) verhalten. Zur Erklärung der Ergebnisse werden Messergebnisse der langwelligen Strahlungsflüsse herangezogen.

Ergebnisse

Abb. 3 zeigt für den Messzeitraum die mesoskaligen Bedingungen, die über der Messstation TU Dach ermittelt werden. Es wird der Verlauf der Lufttemperatur, der relativen Luftfeuchte und der kurzwelligen Einstrahlung dargestellt. Die Lufttemperatur erreicht während der Messreihe ihr Maximum von 32,8 °C am 17.07., 18:12 Uhr, ihr Minimum wird am 20.07., 04:10 Uhr, mit 14,9 °C erreicht. Die durchschnittliche Lufttemperatur der kompletten Messreihe beträgt 22,3 °C. Zwischen dem 19.07. und 21.07. liegen die durchschnittlichen Lufttemperaturen unter denen der anderen Tage. Die relative Luftfeuchte erreicht ihr Maximum von 95,9 % am 19.07. zwischen 11:49 Uhr und 11:52 Uhr. Am 17.07. und 20.07. ist sie gegen 20 Uhr mit ca. 35 % am niedrigsten. Die Maxima der kurzwelligen Einstrahlung werden jeweils vor den Maxima der Lufttemperatur und nach den Maxima der relativen Luftfeuchte erreicht. Aufgrund der geringen kurzwelligen Einstrahlung am Morgen des 19.07. erfährt die Lufttemperatur einen Einbruch. An den unterschiedlichen Messtagen herrschen also nicht immer die gleichen übergeordneten Wetterbedingungen.

Abb. 3 – Verlauf der Lufttemperatur in °C (rot), relative Luftfeuchte in % (blau) und kurzwellige Einstrahlung in W/m² (grau) im Messzeitraum 16.07.15 – 22.07.15 (UTC+1) von TU Dach in 57 m ü. NN (eigene Darstellung).

Abb. 4 – Verlauf der Windgeschwindigkeit in m/s im Messzeitraum 16.07.15 – 22.07.15 (UTC+1) (eigene Darstellung).

Die Abb. 4 zeigt zusätzlich die Windgeschwindigkeiten, die ebenfalls auf dem TU Dach gemessen wurden. Die höchsten und auch niedrigsten Windgeschwindigkeiten wurden am 21.07. gemessen. An allen Tagen herrschte geringer bis schwacher Wind.

Abb. 5 – Verteilung der PMV-Werte im Zeitraum 14–15 Uhr (UTC+1) an den Standorten Terrasse_1 (17.07.15), Terrasse_2 (18.07.15) und Garten (21.07.15) (eigene Darstellung).

Die Verteilung der PMV-Werte an den drei Standorten zwischen 14–15 Uhr (s. Abb. 5) zeigt folgendes: Bei Standort Terrasse_1 liegt der Median des PMV-Wertes bei 2,7, der Quartilsabstand bei 0,6. Der Median des Standorts Terrasse_2 liegt bei 1,9 und ist somit geringer als bei Standort Terrasse_1; der Quartilsabstand ist mit 0,5 ebenso geringer. Die niedrigsten Werte weist der Standort Garten auf. Hier liegt der Median bei 0,9, der Quartilsabstand ist mit 0,1 gering.

Abb. 6 – Tagesverlauf des PMV-Wertes (schwarz) mit Durchschnittswert (rot) an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 18.07.15, 5 Uhr – 19.07.15, 5 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 21.07.15, 5 Uhr – 22.07.15, 5 Uhr (UTC+1) (eigene Darstellung).

Die zeitliche und räumliche Variabilität des PMV-Wertes zeigt sich im Vergleich der Tagesverläufe der Standorte Terrasse_2 und Garten (s. Abb. 6). Beträgt der PMV-Wert an Standort Terrasse_2 um 6 Uhr noch 0,1, ist er um 10 Uhr schon auf das Tagesmaximum von 3,6 gestiegen (starke Wärmebelastung nach HORBERT 2000). Nach 17 Uhr fällt der PMV-Wert und erreicht um 3 Uhr das Tagesminimum von –0,8 (schwacher Kältestress). Der Tagesdurchschnitt des PMV liegt bei 1,1 (schwache Wärmebelastung). Der PMV-Wert an Standort Garten steigt von 6 Uhr bis 11 Uhr von –0,3 auf 1,1 an. Bis 16 Uhr steigt der PMV auf sein Tagesmaximum von 1,2 an. Das Tagesminimum von –0,3 wird um 3 Uhr verzeichnet. Der Durchschnittswert des PMV-Tagesverlaufs liegt mit 0,5 im behaglichen Bereich (HORBERT 2000). Der Graph des PMV-Wertes an Standort Garten ist abgeflachter und somit ausgeglichener als der Graph von Standort Terrasse_2. Die PMV-Werte von Standort Garten sind fast durchgängig als behaglicher einzustufen.

Abb. 7 – Zeitliche Variabilität der PMV-Werte an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 17.07.15, 14 Uhr – 20.07.15, 8 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 20.07.15, 11 Uhr – 22.07.15, 13 Uhr (UTC+1). PMV-Wert aus Messungen (durchgezogen), PMV-Wert aus SOLWEIG-Ausgabe vom simulierten Ist-Zustand (gepunktet), PMV-Wert aus SOLWEIG-Ausgabe vom Szenario ohne Baumbestand (gestrichelt) (eigene Darstellung).

Abb. 7 zeigt neben den aus den Messungen ermittelten PMV-Werten auch die Werte der SOLWEIG-Modellierungen an den Standorten Terrasse_2 und Garten. Die aus den gemessenen Daten hervorgehenden PMV-Werte sind an Standort Terrasse_2 (s. Abb. 7 oben) am 17. und 18.07.15 tagsüber höher (Wert > 4) als der PMV-Wert aus der ersten Modellierung (alle Werte < 3). Die PMV-Werte vom Szenario ohne Baumbestand sind tagsüber höher als die PMV-Werte des simulierten Ist-Zustandes, aber meist niedriger als die PMV-Werte aus den Messungen. Für den Standort Garten zeigt sich ein anderes Bild (Abb. 6 unten): Die PMV-Werte des Szenarios ohne Baumbestand (Modellierung 4) sind tagsüber höher (Maximalwerte bei 3) als die der zweiten Modellierung und die der Messungen. Die PMV-Werte aus den Messungen sind auch im Vergleich zur zweiten Modellierung durchgängig niedriger (Differenz ca. 0,5). Nachts sind die PMV-Werte der beiden Modellierungen 2 und 4 hier gleich.

Abb. 8 – Durchschnittliche Tmrt (°C) tagsüber im Untersuchungsgebiet vom Ist-Zustand (links) und vom Szenario ohne Baumbestand (rechts) im Zeitraum 20.07.15 – 22.07.15 (eigene Darstellung).

Im Folgenden wird die räumliche Variabilität der Tmrt (mean radiant temperature = mittlere Strahlungstemperatur) im Einzelnen betrachtet; sie beschreibt die kurz- und langwelligen Strahlungsflüsse aus allen Richtungen und ist ein wichtiger Faktor zur Berechnung des PMV (VDI 1998). In den Modellierungen des Ist-Zustandes der beiden Standorte (Modellierung 1 & 2) zeigt die Tmrt tagsüber die höchsten Werte auf der Terrasse (s. Abb. 8 links), insbesondere an der Wand der Kindertagesstätte. Beim Szenario ohne Baumbestand (Modellierung 3 & 4) hingegen finden sich die höchsten Tmrt-Werte auf der offenen Fläche im Innenhof und am südlichen Rand der Terrasse (s. Abb. 8 rechts). Die maximalen Tmrt-Werte sind in den Modellierungen 1 und 2 ohne Vegetation höher (ca. 37 °C) als in den Modellierungen 3 und 4 mit Vegetation (ca. 33 °C).

Abb. 9 – Oberflächentemperatur in °C (schwarz) und kurzwellige Einstrahlung in W/m² (grau) an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 17.07.15, 14 Uhr – 20.07.15, 8 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 20.07.15, 11 Uhr – 22.07.15, 12 Uhr (UTC+1) (eigene Darstellung).

Die kurzwellige Einstrahlung, die an Standort Terrasse_2 gemessen wird, zeigt, dass der Standort tagsüber meist direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist (Werte bis 600,7 W/m²). Es sind aber auch Einbrüche der Werte zu erkennen (s. Abb. 9 oben). Nachts wird keine kurzwellige Einstrahlung gemessen. Die Oberflächentemperatur verläuft zwischen 14,9 °C und 35,8 °C, der kurzwelligen Einstrahlung zeitlich verzögert. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur an Standort Terrasse_2  liegt bei 23,2 °C.
Die Oberflächentemperatur an Standort Garten liegt bei durchschnittlich 20,2 °C und ist somit 3,0 °C kühler als an Standort Terrasse_2 (s. Abb. 9 unten). Sie schwankt während des Messzeitraums zwischen 17,3 °C und 23,7 °C, also weniger als an Terrasse_2 (Spannweite Garten: 6,4 °C; Terrasse_2 20,9 °C). Auffällig ist die geringe kurzwellige Einstrahlung, die während des Messzeitraums auf den Standort trifft: Sie beträgt durchschnittlich 17,2 W/m² und bewegt sich fast durchgängig gegen 0–2 W/m², nur am 21.07. nachmittags ist sie mit 233,7 W/m² kurz höher.
Nachts (22 – 5 Uhr) beträgt die durchschnittliche Oberflächentemperatur an Standort Terrasse_2 20,2 °C, während sie an Standort Garten mit 19,5 °C geringer ist. Die Oberflächentemperatur sinkt an Standort Terrasse_2 auf 17,7 °C, an Standort Garten auf 18,7 °C. Die maximale nächtliche Oberflächentemperatur ist an Standort Terrasse_2 höher (23,6 °C) als an Standort Garten (20,8 °C).
Die durchschnittliche nächtliche langwellige Einstrahlung (nicht dargestellt) ist an Standort Terrasse_2 niedriger (375,5 W/m²) als an Standort Garten (418,1 W/m²). Die langwellige Ausstrahlung ist an Standort Terrasse_2 höher (420,4 W/m²) als an Standort Garten (415,9 W/m²). Aus den Werten ergibt sich für jeden Standort die Differenz der nächtlichen langwelligen Strahlung: Standort Garten ergibt –2,2 W/m² Differenz, der langwellige Strahlungshaushalt ist also fast ausgeglichen, die langwellige Einstrahlung ist etwas höher. An Standort Terrasse_2 beträgt die Differenz 44,95 W/m²; die langwellige Ausstrahlung ist erkennbar (s. Abb. 9) höher als die langwellige Einstrahlung.

Diskussion

Die Messungen im Hitzesommer 2015 lassen hohe PMV-Werte und thermische Unbehaglichkeit erwarten. Mit Blick auf die Frage, inwieweit Baumvegetation mikroklimatisch auf humanbioklimatische Faktoren Einfluss nimmt, wird durch die Auswertung der Ergebnisse gezeigt, dass Baumvegetation einen positiven Einfluss auf die thermische Behaglichkeit hat. Ein sonnenexponierter Standort wirkt sich im Gegensatz dazu im Sommer negativ auf die thermische Behaglichkeit aus. Dies wird in Abb. 4 deutlich, da die PMV-Werte während der gewählten Stunde am Standort Garten niedriger sind als die der Terrassenstandorte.
Auch die Tagesverläufe der PMV-Werte in Abb. 5 zeigen den positiven Effekt der Baumvegetation auf die thermische Behaglichkeit. Der Standort Garten wird hierbei als behaglich bis leicht warm, Standort Terrasse_2 mit fehlender Vegetation als heiß eingestuft. Damit liegt zwischenzeitlich an Standort Terrasse_2 eine starke Wärmebelastung vor (s. Tab. 2).
Trotz der hohen PMV-Werte an Standort Terrasse_2 am Tag finden sich in der Nacht niedrigere PMV-Werte als am Standort Garten. In der Nacht wird an Terrasse_2 der PMV als leicht kühl eingestuft, wobei es zu leichtem Kältestress kommen kann (s. Tab. 2). Die niedrigen PMV-Werte können durch den offenen Charakter der Fläche verursacht werden, da hier kein direkter Schutz vor Wind vorliegt und die langwellige Ausstrahlung der Oberfläche schneller entweichen kann. An allen Tagen der Messungen herrschte geringer bis schwacher Wind, auch in der Nacht. Der Standort Garten ist durch die Bäume windgeschützter. Darüber hinaus wird die langwellige Ausstrahlung an Standort Garten in der Nacht durch das Kronendach der Bäume zurückgehalten. Wie in Abb. 5 zu erkennen, ist der Median an beiden Standorten niedrig, wobei an Standort Terrasse_2 im Mittelwert die PMV-Werte auf schwache Wärmebelastung hinweisen. An Standort Garten hingegen ist der PMV-Median mit 0,5 in einem behaglichen Bereich.

Die Abhängigkeit des PMV von vielen Faktoren hat zur Folge, dass teils über den Tagesverlauf ungünstige Standorte zeitweise bessere Bedingungen aufweisen können. Der PMV liegt zwischen 14 und 15 Uhr an Standort Terrasse_2 im Schnitt bei ca. 1,9, deutlich unter dem Tagesmaximum von 3,6 (s. Abb. 6) und über dem Tagesschnitt (ca. 1,1). Der Vergleich zwischen den Standorten von 14 bis 15 Uhr ist fehleranfällig, da an drei verschiedenen Tagen gemessen wurde und die Werte von den übergeordneten Bedingungen abhängen, die aufzeigen, dass es am 18.07. mittags sowohl einen Einbruch der kurzwelligen Einstrahlung als auch der Lufttemperatur gab (s. Abb. 3). Die Erklärung könnte in einer zeitweise nicht optimalen autochthonen Wetterlage liegen. Darüber hinaus waren die Lufttemperaturen am 17.07. deutlich höher und die relative Luftfeuchte niedriger als am 18.07. (s. Abb. 3). In Bezug auf den PMV ist die Lufttemperatur eine wichtige Einflussgröße. Es bleibt trotzdem festzuhalten, dass von allen drei Standorten der Standort Garten deutlich niedrigere PMV-Werte aufweist als die Terrassen-Standorte.
Auch die Modellierungen mit SOLWEIG zeigen den positiven Einfluss der Baumvegetation auf die thermische Behaglichkeit (s. Abb. 8). In den Modellierungen ohne Baumvegetation verlagert sich der heißeste Ort von der Terrasse auf die frei liegende Fläche in der Mitte des Innenhofes. Der Grund liegt im direkten Einfluss des Baumbestands auf die Strahlungsflüsse und damit auf die Tmrt. Eine Erklärung für die hohe Tmrt im Innenhof kann die fehlende Schattenwirkung der Häuser sein, die in der Mitte des Innenhofes weniger Einfluss hat als am Rand. Außerdem sind die Tmrt-Höchstwerte (s. Abb. 8) bei den Modellierungen ohne Baumvegetation gegenüber den Tmrt-Höchstwerten der Modellierungen 1 und 2 höher.
Jedoch gibt es bei den Modellierungen auch Unklarheiten, denn die errechneten PMV-Werte aus den BioMet-Daten sind sowohl am 17. als auch 18.07.15 tagsüber höher als die der Modellierung 3, ohne Baumbestand. Diese Divergenz kann entstehen, wenn in diesem Zeitraum der Himmel über der Referenzstation in Berlin-Charlottenburg bewölkt war und über der Kindertagesstätte nicht. Somit wäre die Globalstrahlung in der Kindertagesstätte höher und folglich auch der PMV-Wert. Die höheren PMV-Werte der BioMet-Station gegenüber denen der Modellierung 3 lassen auf falsche Werte schließen. Das Modell SOLWEIG hat das Szenario ohne Baumbestand (Modellierung 3) nicht zufriedenstellend modelliert.
Darüber hinaus kann SOLWEIG den Ist-Zustand eines Gebietes verfälschen, indem das Modell in einigen Punkten nicht detailliert genug arbeitet, sodass beispielsweise Häuser und Bäume auf volle Meter gerundet werden und das Modell so die Realität nicht exakt wiedergeben kann. Dieser Aspekt kann wiederum Einfluss auf die thermische Behaglichkeit nehmen. Wie stark dieser Effekt in der vorliegenden Studie ausgeprägt ist, wird nicht weiter erläutert.
Trotz der genannten Aspekte hat sich bei der Validierung des Modells SOLWEIG herausgestellt, dass sich seine Verwendung für diese Studie eignet, da die PMV-Werte aus den BioMet-Daten und die PMV-Werte aus den Modellierungen, bis auf ein paar Ausreißer, nah beieinander liegen und somit der Einfluss der Baumvegetation auf die thermische Behaglichkeit gut darstellbar ist.

Mit dem Auswerten der Messdaten und der SOLWEIG-Modellierungen weist der Standort Garten mit Bäumen insgesamt die behaglicheren PMV-Werte auf als der Standort Terrasse_2. Der Einfluss von Vegetation auf das Mikroklima ist ein häufig untersuchter Zusammenhang. Nach ERELL et al. (2011) bringt urbane Vegetation zahlreiche Vorteile mit sich, zu denen die Anpassung an die UHI, die Minderung von Energiekosten von Gebäuden oder psychologische Aspekte zählen. Vegetation kann die Energiebilanz eines Standortes unmittelbar ändern durch verminderte kurzwellige Einstrahlung an der Bodenoberfläche, das Abfangen von langwelliger Ausstrahlung vom Boden, die reduzierte Windgeschwindigkeit und Advektion (ERELL et al. 2011). Alle Faktoren tragen unmittelbar zum PMV bei und nehmen Einfluss auf diesen. Vegetation ist ein wichtiger Faktor in der Diskussion um die thermische Behaglichkeit. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass die von dieser Studie untersuchten Standorte auf der Terrasse nicht auch behagliche PMV-Werte aufweisen können, da die Vergleichbarkeit der drei Standorte aufgrund der unterschiedlichen Messzeiträume nur bedingt gegeben ist. Bei vergleichbaren Messungen ist das Aufstellen mehrerer Messstationen zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Standorten an möglichst autochthonen Tagen zu empfehlen. Da die autochthone Wetterlage nicht zu allen relevanten Zeitpunkten der Messreihe gegeben war, ist die Aussagekraft einzelner Werte geschwächt.
Viele Studien, die sich mit dem Thema der thermischen Behaglichkeit auseinandersetzen, legen entsprechend dem PMV nach Faber den Fokus auf Erwachsene. Der PMV wurde von Faber mithilfe von Student_Innen für den klimatisierten Innenraum entwickelt. Er bezieht die Faktoren Geschlecht, Alter, Gewicht und individuelle Unterschiede in Bezug auf Kleidung, Aktivitätslevel sowie psychologische, physiologische und ethnologische Aspekte nicht mit ein. Die thermische Behaglichkeit von Kindern unterscheidet sich von Erwachsenen sowohl durch den anderen Metabolismus, die Körperhaltung von Kindern, psychologische Faktoren als auch durch ein anderes individuelles Verhalten (VAN HOOF 2008). Nur wenige Studien beschäftigen sich mit der thermischen Behaglichkeit von Kindern, insbesondere im Kindergartenalter. In einer Studie in Korea wurde herausgefunden, dass Kinder ein geringes Empfinden für thermische Veränderungen aufweisen und im Vergleich zu Erwachsenen eine thermische Komfortzone von 3 °C weniger Lufttemperatur als die von Erwachsenen im Durchschnitt aufweisen (HYUNJUN et al. 2014).

Bei dem in der vorliegenden Studie verwendete PMV stehen Erwachsene im Fokus, daher muss auf Kinder, die den großen Anteil der Nutzer_Innen der Kita ausmachen und eine vulnerable Gruppe darstellen, angepasst werden. Damit sind die Ergebnisse, die teilweise eine starke Wärmebelastung aufzeigen, noch einmal in einen anderen Kontext zu bringen.
Es gibt bereits einige Studien, die sich mit der Anpassung des PMV auseinandersetzen, so z. B. der adaptive Predicted Mean Vote (aPMV) nach RUNMING et. al (2009). Er berücksichtigt neben den gängigen individuelle Faktoren Kleidung und Aktivitätslevel das lokale Klima, Kultur, sozialer Hintergrund und auch besondere Angewohnheiten, z. B. in Bezug auf unterschiedliche Lebensstile (RUNMING et al. 2009). Trotz vieler Bestrebungen nach einer Anpassung des PMV gilt der PMV nach Fanger weiterhin als internationaler Standard, der sich in vielen weltweiten Richtlinien wie dem AHSRAE Standard 55, der ISO 7730 oder auch der CEN CR 1752 wiederfindet (VAN HOOF 2008).
Anders setzt sich der Universelle Thermische Klimaindex (UTCI) mit dem Thema auseinander. Er versucht, weltweit genutzte Indikatoren zur thermischen Behaglichkeit zu harmonisieren, sodass er in allen Klimazonen anwendbar ist und als internationaler Standard anerkannt wird (HUPFER & KUTTLER 2006). So können Studienergebnisse weltweit verglichen werden.

Die Standorte Terrasse_2 und Garten unterscheiden sich in zwei wesentlichen Faktoren: Im Oberflächenmaterial und in der Beschattung. Nachdem gezeigt wurde, dass Standort Garten durch seine Baumbegrünung eine höhere thermische Behaglichkeit aufweist, stellt sich die Frage, wie die Oberflächentemperaturen an den Standorten mit der Vegetation und der thermischen Behaglichkeit zusammenhängen und wie sie zu erklären sind. Die Ergebnisse zeigen, dass eine hohe, durchgängige kurzwellige Einstrahlung wie an Terrasse_2 eine hohe Oberflächentemperatur zur Folge hat. Der versetzte Verlauf lässt sich dadurch erklären, dass die gewonnene Energie gespeichert und als langwellige Ausstrahlung sukzessiv wieder abgegeben wird. Standort Garten hingegen scheint fast im gesamten Tagesverlauf durch Bäume oder Gebäude beschattet zu sein, da kaum kurzwellige Einstrahlung gemessen wird. Dadurch lassen sich auch die geringeren Oberflächentemperaturen erklären. Die PMV-Werte an Standort Terrasse_2 und Standort Garten sind sich ähnlicher in der Nacht als tagsüber. Dies lässt sich auf die erhöhte langwellige Einstrahlung, wahrscheinlich verursacht durch Rückstrahlung des Baumkronendaches, erklären. An Standort Terrasse_2 gibt es im Vergleich besonders nachts keine so hohe langwellige Einstrahlung mehr, da hier die Rückstrahlung durch Bäume wegfällt und nur die Rückstrahlung durch Gebäude und die Atmosphäre bleibt. Das erklärt, dass die Oberflächentemperatur an Standort Garten nicht so weit sinkt wie an Standort Terrasse_2. Die PMV-Werte und die Oberflächentemperatur verlaufen nach gleichem Muster, sodass ein Zusammenhang zwischen beiden deutlich zu erkennen ist.

Die Analyse der Oberflächentemperaturen erfolgt aus der Berechnung mit der gemessenen langwelligen Ausstrahlung. Diese Vorgehensweise kann jedoch nur eine Annäherung darstellen. Exakter wäre eine Infrarot-Messung. Die Studienergebnisse zeigen trotzdem, wie stark die Oberflächentemperatur von Begrünung abhängt und wie Bäume mikroklimatisch einen ausgleichenden Einfluss auf die Oberflächentemperatur haben.

Schlussfolgerungen

Um bei Messungen an verschiedenen Standorten Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Messpunkten schaffen zu können, ist es bei künftigen Messungen von Wichtigkeit, an unterschiedlichen Standorten zur gleichen Zeit zu messen.
Es wird deutlich, dass mikroklimatische Bedingungen in der Stadt und damit verbunden die thermische Behaglichkeit des Menschen durch Baumbepflanzungen merklich verbessert werden können. Wichtig ist diese Erkenntnis in Hinblick auf vulnerable Gruppen wie Kinder und ältere Menschen. Diese Erkenntnis kann in die Gestaltung der Außenbereiche von Kindertagesstätten und Altersheimen einfließen.

Abkürzungsverzeichnis

aPMV – adaptive Predicted Mean Vote

ASHRAE – American Society of Heating, Refrigerating, and Air-Conditioning Engineers

DWD – Deutscher Wetterdienst

PMV – Predicted Mean Vote

SOLWEIG – Solar LongWave Environmental Irrandiance Geometry

Tmrt – mean radiant temperatur = mittlere Strahlungstemperatur

TU – Technische Universität zu Berlin

ü. NN – über Normalnull

UHI – Urban Heat Island = Städtische Wärmeinsel

UTC+1 – Koordinierte Weltzeit plus eine Stunde (entspricht Mitteleuropäischer Zeit)

UTCI – Universal Thermal Climate Index

VDI – Verein Deutscher Ingenieure

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 – Lage des Untersuchungsgebiets (rote Linie) in der Nachbarschaft. T_1 = Standort Terrasse_1, T_2 = Standort Terrasse_2, G = Standort Garten (Google Maps 2016).

Abbildung 2 – Standorte v.l.n.r. Terrasse_1, Terrasse_2, Garten (eigene Darstellung).

Abbildung 3 – Verlauf der Lufttemperatur in °C (rot), relative Luftfeuchte in % (blau) und kurzwellige Einstrahlung in W/m² (grau) im Messzeitraum 16.07.15 – 22.07.15 (UTC+1) von TU Dach in 57 m ü. NN (eigene Darstellung).

Abbildung 4 – Verlauf der Windgeschwindigkeit in m/s im Messzeitraum 16.07.15 – 22.07.15 (eigene Darstellung).

Abbildung 5 – Verteilung der PMV-Werte im Zeitraum 14–15 Uhr (UTC+1) an den Standorten Terrasse_1 (17.07.15), Terrasse_2 (18.07.15) und Garten (21.07.15) (eigene Darstellung).

Abbildung 6 – Tagesverlauf des PMV-Wertes (schwarz) mit Durchschnittswert (rot) an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 18.07.15, 5 Uhr – 19.07.15, 5 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 21.07.15, 5 Uhr – 22.07.15, 5 Uhr (UTC+1) (eigene Darstellung).

Abbildung 7 – Zeitliche Variabilität der PMV-Werte an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 17.07.15, 14 Uhr – 20.07.15, 8 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 20.07.15, 11 Uhr – 22.07.15, 13 Uhr (UTC+1). PMV-Wert aus Messungen (durchgezogen), PMV-Wert aus SOLWEIG-Ausgabe vom simulierten Ist-Zustand (gepunktet), PMV-Wert aus SOLWEIG-Ausgabe vom Szenario ohne Baumbestand (gestrichelt) (eigene Darstellung).

Abbildung 8 – Durchschnittliche Tmrt (°C) tagsüber im Untersuchungsgebiet vom Ist-Zustand (links) und vom Szenario ohne Baumbestand (rechts) im Zeitraum 20.07.15 – 22.07.15 (eigene Darstellung).

Abbildung 9 – Oberflächentemperatur in °C (schwarz) und kurzwellige Einstrahlung in W/m² (grau) an Standort Terrasse_2 (oben) im Zeitraum 17.07.15, 14 Uhr – 20.07.15, 8 Uhr (UTC+1) und an Standort Garten (unten) im Zeitraum 20.07.15, 11 Uhr – 22.07.15, 12 Uhr (UTC+1) (eigene Darstellung).

Tabellenverzeichnis   

Tabelle 1 – Messzeiträume an den einzelnen Standorten (eigene Darstellung).

Tabelle 2 – Bewertungstabelle PMV, thermisches Empfinden und Belastungsstufen (HORBERT 2000).

Tabelle 3 – Statische Eingangsdaten für die SOLWEIG-Modellkonfiguration (eigene Darstellung).

Literaturverzeichnis

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FENNER, D., MEIER, F., SCHERER, D., POLZE, A., 2014: Spatial and temporal air temperature variability in Berlin, Germany, during the years 2001–2010. Veröffentlicht in Urban Climate 10, S. 308 – 331.

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HUPFER, P., KUTTLER, W. (Hrsg.), 2006: Witterung und Klima. Eine Einführung in die Meteorologie und Klimatologie. 12. Auflage. Teubner Verlag: Wiesbaden. 558 S.

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SCHERER, D., FEHRENBACH, U., LAKES, T., LAUF, S., MEIER, F., SCHUSTER, C., 2014: Quantification of heat-stress related mortality hazard, vulnerability and risk in Berlin, Germany. Die Erde Vol. 144, No. 3–4. S. 238–259.

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STATISTISCHES BUNDESAMT, 2016: Gebiet und Bevölkerung. Fläche und Bevölkerung. Online im Internet: http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab1.asp. Zuletzt abgerufen am 10.05.2016.

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VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE (VDI) (Hrsg.), 1998: Umweltmeteorologie. Methoden zur human-biometeorologischen Bewertung von Kima und Lufthygiene für die Stadt- und Regionalplanung. Teil 1: Klima. VDI 3787. Blatt 2. Zu beziehen beim Beuth-Verlag, Berlin. 29 Seiten.

WEGNER, M., 2007: Meteorologische Mittel- und Extremwerte von Berlin-Dahlem. Online in Internet: http://www.met.fu-berlin.de/~stefan/extrema.htm [Stand 28.06.16].


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